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Indien  /  23. Mai 2023

Amritsar – Stadt der Sikh und einer weirden Grenzzeremonie

Späte Ankunft in Amritsar

Da der Zug aus Delhi nach Amritsar schon weitgehend ausgebucht war, haben wir leider Plätze in unterschiedlichen Waggons erhalten. Wir setzen uns trotzdem einfach gemeinsam auf einen der Plätze (Seite unten ist unser neuer Lieblingsplatz) und hoffen, dass es keinen stört und wir haben Glück. Niemand scheint sich daran zu stören, was wir auch schon anders erlebt haben. Uns gegenüber sitzt eine große Familie, die viel spielt, singt und lacht. Trotz der Lautstärke ist es ganz unterhaltsam, zuzugucken. Gegen halb 10 erreichen wir schließlich Amritsar.

Amritsar ist, natürlich, eine Stadt mit mehr als 1 Mio. Einwohner:innen im indischen Bundesstaat Punjab. Die Stadt ist vor allem als die wichtigste Stadt des Sikhismus bekannt und beherbergt mit dem Harmandir Sahib (Goldener Tempel) eine der wichtigsten Stätten für die Sikhs.

Da es leider schwierig ist, ein Tuktuk über Uber zu rufen, verhandeln wir mit einigen Tuktuk-Fahrern, die uns aber nur horrende Preise für die Fahrt nennen und auch nicht so richtig zu verstehen scheinen, wo wir hinmöchten. Wir rufen uns daraufhin ein richtiges Uber und genießen den Luxus eines Autos, das mit aufgedrehten Boxen, aus denen Punjabi-Rap dröhnt, durch das nächtliche Amritsar fährt. Schnell fallen uns die vielen Liquor- und English Wine & Beer Shops auf. Hier scheint man es mit dem Alkohol wohl etwas entspannter zu sehen (zumindest außerhalb eines Radius von 1 km um den goldenen Tempel herum). Mit verschiedenen elektronischen Übersetzern bietet unser Uber-Fahrer uns auch direkt an, uns am nächsten Tag zur Wagah-Border zu fahren, dem Grenzübergang nach Pakistan, an dem jeden Abend eine Grenzschließungszeremonie stattfindet, die neben dem goldenen Tempel das Touri-Highlight hier ist. Mehr dazu aber später. Wir tauschen Nummern aus und er wirft uns etwas abseits unseres Hotels raus, da er weiter mit dem Auto nicht fahren darf. Seltsam, dass uns im Anschluss noch einige Autos entgegenkommen, aber ein kleiner Spaziergang tut nach dem ganzen Sitzen auch ganz gut.

Angekommen im Hotel erwartet uns ein freundlicher Herr, der uns erzählt, dass wir statt der gebuchten 3 Nächte leider nur 2 Nächte bleiben können. Er bietet uns an, im gegenüberliegenden Hotel unterzukommen, damit wir nicht nach 2 Nächten das Hotel wieder wechseln müssen. Nachdem Konsti sich die Zimmer dort angesehen hat, lehnen wir allerdings dankend ab und beschließen, im ursprünglichen Hotel zu bleiben und uns nach 2 Nächten eine neue Bleibe in Amritsar zu suchen. Hat natürlich ein kleines Geschmäckle und passt dazu, dass wir im Vorfeld schon etwas Schwierigkeiten mit dem Hotel hatten, die darauf bestanden haben, eine kleine Anzahlung zu machen. Grundsätzlich kein Thema, zur Auswahl standen uns allerdings leider nur indische Payment Provider, die sich ausschließlich mit indischen Kreditkarten oder mit dem telefonischen Payment Provider bezahlen lassen. Parallel schreibt uns auch jemand über Whatsapp an, der anscheinend auch zum Hotel gehört, mit diesem aber null abgestimmt ist und so führen wir die ein oder andere Diskussion halt zwei Mal. Nichtsdestotrotz ist der Mann im Hotel sehr freundlich und empfiehlt uns noch ein kleines Restaurant ein paar Meter weiter, in dem wir sehr gut und günstig zu Abend essen können. Danach fallen wir müde ins Bett, das bereits alleine den kleinen Raum ohne Tageslicht ausfüllt.

Bestes Frühstück Kulcha

Am nächsten Morgen starten wir mit der erneuten Beantragung des pakistanischen Visums, waschen unsere Dreckwäsche, verteilen diese überall im Zimmer und verlassen das Hotel gegen Mittag dann hungrig. Für das Frühstück wurde uns ein kleiner Kulcha-Laden empfohlen, zu dem wir uns nun auf den Weg machen und der tatsächlich sehr belebt ist. Kulcha ist ein Fladenbrot, das mit viel Ghee, Kartoffeln oder anderem Gemüse gefüllt und mit verschiedenen Dips (eine Art Kichererbsensauce, rohen Zwiebeln, Chilis, …) gereicht wird. Gebacken wird das Brot an der Wand in einem großen Steinofen. Sehr sehr schmackhaft und sehr sehr fettig.

Im Laden passiert auch zum ersten Mal das, worauf wir die ganze Zeit gewartet haben. Nachdem wir schon eine halbe Stunde auf deutsch miteinander gesprochen haben, im Glauben, dass uns niemand versteht, spricht uns ein freundlicher Mann an, der neben uns sitzt. Er kommt zwar aus Indien, lebt aber bereits seit 10 Jahren mit seiner Familie in Erfurt. Obwohl wir nichts Schlimmes gesagt haben, fühlen wir uns etwas ertappt, quatschen aber trotzdem nett.

Die Suche nach einer neuen Unterkunft

Nach dem Frühstück lassen wir uns etwas durch Amritsar treiben und laufen einfach durch die Straßen. Nach einem Kaffee in einem Hotel, beschäftigen wir uns schon einmal mit der Suche nach einer neuen Unterkunft ab dem nächsten Tag. Da nach unserer Google-Recherche eine Unterkunft direkt in der Nähe ist, beschließen wir kurz vorbeizulaufen.

Am Hotel angekommen treffen wir auf einen sehr engagierten und freundlichen Herren, der uns sofort zwei verschiedene Zimmer zeigt und uns gerne als Gäste empfangen würde. Da das Hotel einige absolute Pluspunkte bei uns sammelt (Zimmer mit Tageslicht UND Wasserkocher auf dem Zimmer UND einer abgetrennten Dusche) und auch über einen kleinen Garten mit viel Kunstrasen auf dem Boden und den Wänden verfügt, beschließen wir schnell, am kommenden Tag hierher umzuziehen.

Wir erhalten auch einen kleinen Preisnachlass und trinken noch einen Chai aufs Haus, den wir nicht ausschlagen konnten.

Haarmitsar…

… wäre eigentlich ein passender Name für einen Friseur in Amritsar, funktioniert halt leider nur auf Deutsch. Und so landen wir im Barber X Saloon, wo Konsti sich von Ajay einen neuen Haarschnitt verpassen lässt. Währenddessen wird die wartende Caro von einem Kumpel von Ajay ausgefragt. Irgendwann drückt er Caro auch das Handy ans Ohr, an dessen anderen Ende sein Bruder, der in Frankfurt lebt, ist. Der spricht zwar kein Deutsch, aber trotzdem verstehen sich alle super. Caro begutachtet Ajay’s Arbeit sehr genau, die Angst ist groß, dass die schönen Locken zu kurz geschnitten werden. Ajay gibt sich größte Mühe und schneidet feinsäuberlich nur die Spitzen des Oberhaars. Von den Locken sieht man am Ende dann doch nichts, Konsti bekommt eine schöne Fönfrisur, die man hier sowohl bei den „hippen“ Jugendlichen als auch bei den Hauptrollen der Bollywood-Darsteller findet. Selbstverständlich wird dann am Ende noch das ein oder andere Foto geschossen und Konsti hinterlässt seinem neuen „Bro“ eine ausführliche Google-Bewertung.

Partition Museum

Mit frisch auf indisch gestylten Haaren machen wir uns im Anschluss auf den Weg zum Partition Museum. Das Museum beschäftigt sich mit den Ursachen und den Folgen der Teilung von Indien und Pakistan im Jahr 1947. Wir lernen sehr viel darüber, wie es überhaupt zur Teilung in zwei Staaten zum Ende der britischen Kolonialzeit kam und wie es den Sikh erging, deren Land auf beiden Seiten der neugezogenen Grenze lag. Apropos Grenze: Wir sind überrascht, dass ein Herr namens Radcliffe (nicht Daniel), der vorher gar keinen Bezug zu Südasien hatte, nur einen einzigen Monat Zeit bekommen hat, um eine neue Grenze für die beiden neuen Staaten festzulegen, die bis heute Bestand hat. Auch die Themen Flucht, Verfolgung auf beiden Seiten und die vielen Todesopfer, die es auf den Transporten, der Flucht und den immer wieder aufflammenden Konflikten gegeben hat, werden sehr anschaulich dargestellt. Darüber hinaus werden in einem Raum die ganz alltäglichen Probleme beleuchtet, die die Aufspaltung eines Staates mit sich bringt: Wie trennt man beispielsweise die Verwaltung oder Organe wie Polizei und Militär voneinander? Was ist, wenn man auf der neuen pakistanischen Seite lebt, aber auf der indischen Seite arbeitet? Wie geht man bei der Einführung einer neuen Währung vor?

Auch wenn die Darstellung natürlich nicht ganz ausgewogen ist, sind wir überrascht wie gut aufbereitet, strukturiert und modern das Museum ist. Das Museum hat uns auf jeden Fall sehr beeindruckt.

Hall Bazar und Guru Bazar

Nach dem Besuch des Museums lassen wir uns einfach etwas durch die Straßen von Amritsar und des Hall Bazars treiben. Da Caro sich für Pakistan noch gerne mit einem Kopftuch ausstatten möchte, schauen wir uns schon einmal etwas um, wo wir dieses am besten erstehen könnten. Bei einem Lassi bei Gian Di Lassi erfrischen wir uns etwas und machen uns dann mit einem kleinen Umweg über den Guru Bazar, in dem es vor allem Juweliere gibt, zu unserem nächsten Ziel, dem goldenen Tempel. Die Mission Kopftuch haken wir für heute allerdings ab.

Harmandir Sahib (Goldener Tempel)

Der Harmandir Sahib ist ein wirklich beeindruckender Bau aus dem 16. Jahrhundert von Arjan Dev, der immer wieder erweitert wurde und ist das höchste Heiligtum und eine Pilgerstätte der Sikhs in Amritsar.

Der Sikhismus ist eine im 15. Jahrhundert entstandene, monotheistische Religion. Von den in etwa 25 Millionen Sikhs auf der Welt lebt ein Großteil in Indien und die meisten von ihnen im Bundesstaat Punjab. Vor allem die männlichen Sikhs erkennt man schnell an den kunstvoll gebundenen Turbanen, unter denen sich das ungeschnittene Haar befindet. Als Zeichen für Reinheit und Disziplin führen Sikhs auch immer einen Holzkamm mit. Weitaus auffälliger als der Kamm ist allerdings der Kirpan, ein Dolch oder Schwert unterschiedlicher Größe, das dafür steht, dass Sikhs Schwächere und Unschuldige verteidigen sollen. Ein Armreif und die knielange Unterhose als Zeichen für Treue runden das Outfit ab.

Sikhs tragen in der Regel denselben Nachnamen. Männliche Sikhs tragen den Nachnamen Singh (Wie wäre es noch mit einem „H“, Bella?), was Löwe bedeutet. Weibliche Sikhs tragen den Nachnamen Kaur, was Prinzessin bedeutet.

Bei der Auseinandersetzung mit der Religionsgemeinschaft sind wir etwas überrascht, wie modern diese erscheint und welche Ansichten dort vertreten werden.

Der eigentliche Tempel ist mit Blattgold belegt und liegt auf einer kleinen Insel inmitten des künstlichen Amrit Sarovar (Teich des Nektars). Ein obligatorisches Bad im See gehört hier absolut dazu, wobei es für Frauen extra blickdichte kleine Häuschen zum heiligen Bad gibt. Umgeben ist der Tempel von einer Palastanlage, die zu jeder der vier Himmelsrichtungen ein Tor hat, was symbolisch so viel bedeuten soll wie: Hier ist jede und jeder willkommen, gleich seiner Herkunft oder Religion.

Pilger:innen dürfen in den Arkaden der Anlage bis zu 3 Nächten auf dem Boden schlafen und wie in jedem Sikh-Tempel gibt es auch hier eine große Küche, in der es für jede und jeden kostenloses Essen gibt. In der Sikh-Tradition ist es absolut okay, zu besitzen und Vermögen anzuhäufen. Es wird aber genauso als wichtig erachtet, dass die, die viel haben, auch viel geben.

Historisch ist der goldene Tempel für viele Sikhs allerdings nicht ausschließlich positiv belegt. Wichtig zu sagen ist, dass Sikh sich nicht nur als eigene Religion, sondern sich teilweise auch als eigene Nation verstehen. So riefen einige radikale Sikhs 1984 im goldenen Tempel ihren eigenen Staat Khalistan aus. Die Reaktion der damaligen Premierministerin Indiens, Indira Gandhi (die außer dem Nachnamen nur wenig mit Mahatma Gandhi gemein hat), ließ nicht lange auf sich warten. Sie ließ den Tempel stürmen, wobei dieser zum Teil zerstört wurde und es viele Todesopfer vor allem auf Seiten der Sikh gab. Indira Gandhi wurde daraufhin wenige Wochen später von zwei ihrer Sikh-Leibwächter ermordet. Dies führte noch zu einer Verschärfung der Situation und es kam zu Pogromen gegen die Sikh im ganzen Land.

Artig, wie wir es bereits aus dem Gurdwara in Delhi kennen, geben wir unsere Schuhe am Schalter ab, denn selbst das Mitnehmen der Schuhe im Rucksack ist strengstens verboten. Wir waschen uns Hände und Füße und treten in das Innere der Anlage. Auch hier dürfen wir wieder für einige Fotos posieren. In den eigentlichen Tempel gehen wir aufgrund der riesigen Schlange nicht. Da wir morgen noch einmal wiederkommen möchten, laufen wir um den See, machen eine kleine Pause unter den Arkaden und beobachten die Sikh-Wärter, die mit großen Speeren umherlaufen und die Menschen, die ein Bad im See nehmen.

Den Abend lassen wir wieder in dem kleinen Lokal vom Vortag ausklingen. Wir werden natürlich wiedererkannt und freundlich begrüßt. Nach dem leckeren Essen geht es ins Bett.

Umzug und same procedure as every day in Amritsar

Vormittags steht der Umzug in unsere neue Bleibe, das „City View with Garden Hotel“ an. Freudig werden wir begrüßt und wir werden in unsere neue Bleibe geführt. Uns wird Tee gebracht und wir fühlen uns hier sehr umsorgt und wohl. Nachdem wir uns etwas eingerichtet haben, knurren unsere Mägen und wir machen uns auf dem Weg zu unserem Frühstück. Nachdem wir in unserer Insta-Story tags zuvor den Kulchaladen verlinkt haben, in dem wir gegessen haben, wurden wir von einem anderen Kulchaladen angeschrieben mit der Bitte, doch auch dort einmal vorbeizuschauen und die Kulcha zu probieren. Da lassen wir uns nicht zwei Mal bitten, zumal der Laden direkt um die Ecke von unserem Hotel ist. Wir werden sofort erkannt, als wir an der „Küche“ auftauchen und von dem freundlichen jungen Mann in den Sitzbereich etwas weiter die Straße runter geführt. Dort wird uns die Patty Kulcha empfohlen, die wir gerne bestellen. Wir bekommen dazu ein paar Schälchen mit mit Chilis, Zwiebeln und Pickles und dazu zwei große Töpfe zur Selbstbedienung mit dem bekannten Kichererbseneintopf und mit weiteren gepickelten Zwiebeln. Die Kulcha und die Beilagen sind wirklich sehr lecker und wir lassen uns es bei sehr gesüßtem Chai und sehr sehr gesüßtem Cappuccino schmecken.

Wagah Wagah, eh eh

Heute steht als Programmpunkt die Grenzschließungszeremonie an der Wagah Border auf dem Programm. Die vielen vielen Fahrer, die durch die Stadt von Amritsar laufen und „Wagah Wagah“ schreien als wären sie Shakira, haben wir gekonnt ignoriert. Statt der 1.500 Rupien (16,80 €) wollen wir eine kostengünstigere und mit mehr Entertainment verbundene Alternative und peilen daher als nächstes die Bus Station von Amritsar an, um den Local Bus zur Grenze zu nehmen. Nach einer kurzen Frage am Schalter finden wir schnell zu Gate 23, von dem aus der Bus nach Attari, dem letzten Ort vor der Grenze liegt, fährt. Während der Bus noch über den Busbahnhof rollt, kommen und gehen alle möglichen Verkäufer, die mal Kokosnussscheiben, mal Kugelschreiber vertreiben. Der Bus wird ziemlich voll und so gibt es viel für uns zu gucken. Nach einer halben Stunde Großstadtdschungel kommen wir aus Amritsar heraus und ab dort geht es etwas zügiger, sodass wir nach einer Stunde in etwa Attari erreichen. Als wir aus dem Bus aussteigen, warten bereits die vielen Rickscha-Fahrer, die einen für das Stück von Attari bis zur eigentlichen Grenze fahren wollen. Ein freundlicher älterer Herr mit seiner Fahrrad-Rickscha bietet uns den besten Kurs und so steigen wir (mit leicht schlechtem Gewissen ob unseres Gewichtes, das der arme Mann gleich ziehen muss) hinten auf die Sitze und er tritt in die Pedale. Da er bei den 35 Grad durchgehend im Stehen fahren muss, überlegen wir kurz, ob wir anbieten sollen, dass wir kurz mal übernehmen und er sich hinten reinsetzen kann. Angekommen an der Grenze müssen wir noch unseren Rucksack abgeben und bewegen uns dann zum ersten Checkpoint. Dort gibt es verschiedene Schlangen und da wir keinen Plan haben, was wir tun sollen, fragen wir einfach bei den Soldaten von der Border Security Force (BSF), die alles regeln. Bei der Grenzzeremonie gibt es, was unüblich ist, einen Touribonus für Ausländer:innen. Wir dürfen durch eine kürzere Schlange laufen, die nur für Leute mit VIP-Tickets und eben uns ist und erhalten, nach einigen weiteren Kontrollen und Checkpoints, im Stadion (ja, richtig gelesen, im Stadion!! Mit tausenden Menschen) extra Plätze mit bester Sicht, in der schon einige andere offensichtliche ausländische Touris sitzen. Vor dem Stadion werden kleine Flaggen und Caps verkauft und man kann sich die indische Flagge ins Gesicht malen lassen.

Um noch einmal kurz zu erklären, was wir hier gleich sehen werden: Jeden Tag wird hier seit 1959 je nach Jahreszeit zwischen 16 und 17 Uhr die Grenze von beiden Seiten in einer gemeinsamen Zeremonie dichtgemacht und die Flaggen eingeholt, wobei aufgepasst wird, dass die eigene Flagge nie unter der des Gegenübers hängt. Begleitet wird das Ganze von Trompetensounds und einer strengen Choreographie, in der es vor allem darum zu gehen scheint, wer sein Bein am weitesten in die Luft heben kann (das gilt nicht für die teilnehmenden Wauzis).

Die ganze Szenerie wirkt unfassbar bizarr auf uns. Ein Soldat der BSF, der als Warm-Upper fungiert beginnt das Programm und heizt die Leute im Stadion mächtig mit Sprechchören und Musik an. Die pakistanische Seite, auf der das gleiche Spektakel stattfindet, ist mit nur wenigen Rängen deutlich kleiner und auch mit deutlich weniger Leuten besetzt.

Im Stadiondurchgang stellen sich Frauen und Kinder auf und beginnen abwechselnd mit einer großen indischen Flagge nach vorne zu laufen, drehen dann wie auf einem Catwalk um, laufen wieder zurück und geben die Flagge an die nächsten weiter.

Der Anheizer begleitet das Spektakel mit weiteren Ausrufen, die wir nicht verstehen. Als alle dran gewesen sind, ertönt auf einmal laut Musik, Menschen springen von den Rängen auf und rennen in die Mitte und wir glauben nicht, was wir da gerade sehen: Einen absolut klischeehaften Bollywood-Flashmob. Plötzlich tanzen alle Frauen und Mädchen zur indischen Musik. Warum? Keine Ahnung, aber es ist sehr unterhaltsam und wir sitzen mit offenen Mündern da.

Nachdem auch diese seltsame Szene vorbei ist, beginnt die eigentliche Zeremonie. 3 Schäferhunde laufen noch kurz die Bahn ab und verbeugen sich. Auf beiden Seiten stehen sich nun zwei Männer gegenüber, die jeweils gemeinsam einen Ruf anstimmen und schauen, wer länger durchhält. Dazu marschieren die Soldatinnen und Soldaten wie bei Monty Pythons Ministry of Silly Walks in Richtung des Grenzübergangs. Das Ganze wiederholt sich in etwa 20 Minuten in verschiedenen Formen.

Unser Fazit: Das ganze Spektakel bewegt sich irgendwo zwischen Monty Python, dem Einmarsch der anderen Häuser bei Harry Potter, einem Bollywood-Streifen, einem Hollywood-Dance-Battle-Film á la Step-Up, einem Haka der Maori, Karneval und einem militärischen Kräftemessen auf der Basis von „Wer kann sein Bein am höchsten heben?“. Die Parade soll wohl dazu dienen, dem Gegner militärische Kampfbereitschaft zu signaliseren. Das bizarre Schauspiel, der Händedruck der beiden Seiten mit einem Lächeln im Gesicht und die sehr abgestimmten Choreographien wirken auf uns eher freundschaftlich, statt feindlich. Seltsam, denn nur wenige hunderte Kilometer weiter im Kashmir belauern sich die beiden Seiten wie in einem Krieg und immer wieder kocht die Stimmung dort hoch.

Hintergrund ist, dass der Kashmir und vor allem der Siachengletscher, der mit seinem Schmelzwasser den Indus, die wichtigste Trinkwasserversorgung für Pakistan, nährt. Das Gebiet gehört offiziell zu Indien, wird aber aufgrund der Relevanz von Pakistan kontrolliert seit der Teilung der Staaten. Kurzer Sidefact: Sowohl Pakistan als auch Indien sind Atommächte.

Wir machen uns, wie einige andere, ein paar Minuten vor Ende auf dem Weg und hoffen, so den großen Menschenmassen entgehen zu können. Während uns ein paar Tuktuk-Fahrer noch erklären, dass sie uns gerne für 400 Rupien nach Amritsar fahren, da leider kein Bus mehr fährt um diese Uhrzeit, entdecken wir schon den ersten von vielen bereitstehenden Bussen. Zwar zahlen wir für die Rückfahrt warum auch immer 50 Rupien, aber immer noch günstiger als die Fahrt mit dem Tuktuk.

Kurze Kostenaufstellung: Für den Bus hin haben wir jeweils 40 Rupien, für den Bus zurück jeweils 50 Rupien bezahlt. Dazu kommen noch die 50 Rupien für die Rickscha macht 230 Rupien (2,58 €) statt der 1.500 Rupien, die die Fahrer aus der Stadt haben wollten.

Der Bus ist im Vergleich zum Hinweg recht leer und kurz vor der Ankunft an der Busstation wechselt der Sound vom feinsten Punjabi-Rap zu Justin Bieber. Der superfreundliche Ticketverkäufer (es gibt immer einen Fahrer und einen Ticketverkäufer) fragt uns mehrmals, wo wir hinwollen und wo wir raus müssen und ob er uns sonst noch weiterhelfen kann. Wir haben aber schon alles geplant. In der Nähe der Bus Station gibt es einen Beer Shop und wir wollen den Tag heute endlich mal wieder mit einem Feierabendbier ausklingen lassen. Unterwegs holen wir uns noch ein wenig Streetfood (Chaat und Pani Puri) und laufen dann ins Hotel.

Start your day right: Kaffee und Kulcha

Da unser Zimmer wie schon gesagt über einen Wasserkocher verfügt und wir immer etwas Krümelkaffee mit uns herumtragen, freuen wir uns auf einen entspannten morgendlichen Kaffee im Bett.

Kurz darauf folgt der Schock! Während Konsti gerade unter der Dusche steht, klopft der Hoteldude an unserer Tür. Aufgeregt fragt er, wo denn der „Sir“ wäre und berichtet Caro schon in Kurzform von einem Problem mit unserem Zimmer. Gerne würde er dieses aber dem Sir noch einmal in einem Gespräch erklären. Ob er Caro nicht auf seiner Augenhöhe betrachtet, er Angst hat, dass sie ihn nicht versteht oder er sie einfach nicht beunruhigen möchte, wir wissen nicht, weshalb er dazu unbedingt mit Konsti sprechen will. Er erklärt schließlich, dass es aufgrund einer wahrscheinlich toten Ratte in den Schächten oberhalb unseres Zimmers zu einer Geruchsentwicklung kommen könnte, welche uns stört oder sogar gesundheitlich beeinträchtigt. Aus Sicherheitsgründe müsse er uns daher in ein anderes Zimmer verbringen. Man würde selbstverständlich unsere Sachen tragen und auch würden wir selbstverständlich als Entschuldigung (davon gab es sehr viele) für die Umstände das Frühstück für den kommenden Tag übernehmen.

Als uns der Hunger dann doch irgendwann aus dem Bett treibt, frühstücken wir wieder Kulcha. Das müssen wir einfach nutzen, solange es geht. Man ist erfreut, uns wieder begrüßen zu dürfen und schießt noch ein Erinnerungsbild für den eigenen Insta-Kanal.

Auf der Suche nach einem Tuch

Da Caro für unseren (immer wahrscheinlich werdenden) Aufenthalt in Pakistan noch gerne ein Tuch für den Kopf hätte und wir heute ohnehin auch noch einmal dem goldenen Tempel, in dem wir beide unsere Haare bedecken müssen, besuchen wollen, bietet sich der Vormittag super an, um nach einem Tuch zu suchen. Wir laufen an vielen Ständen vorbei, die uns allerdings etwas zu hohe Preise für ihre Ware aufrufen. Da wir vorher im Hotel gefragt haben, was ein Kopftuch in etwa kosten sollte, erscheinen uns die fünf- bis sechsfach so hohen Preise recht unrealistisch. Da die Gegenseite sich allerdings auch nur sehr beschränkt aufs Handeln einlässt, suchen wir weiter etwas außerhalb des Tourizentrums. Dort werden wir nach dem Besuch einiger Läden fündig und Caro ersteht für 100 Rupien (etwas mehr als 1 Euro) ein schönes Kopftuch. Immerhin konnten wir hier auch einen kleinen Verhandlungserfolg erzielen. Auf dem Weg zurück in die City ersteht auch Konsti noch ein Dreiecktuch, damit auch er nicht auf die vom Tempel zur Verfügung gestellten Kopftücher zurückgreifen muss.

Jallianwala Bagh

Zur Erinnerung an das Massaker von Amritsar im Jallianwala Bagh, ein von Mauern umgebener Park, steht dort heute ein Denkmal und ein Museum, das über dieses schreckliche Ereignis aufklären soll. 1919 verübten hier britische Soldaten und Gurkhas ein Massaker an Sikhs, Muslimen und Hindus, die gegen die Inhaftierung von zwei nationalindischen Führungspersönlichkeiten protestierten.

Nachdem wir nach Ewigkeiten den richtigen Eingang gefunden haben, stellen wir leider wieder einmal fest, dass die vielen Besucherinnen und Besucher weniger interessiert an der Ausstellung, sondern vielmehr interessiert an Selfies mit uns sind. Und so wird dieser Besuch mehr zu einem Spießroutenlauf. Immer wenn wir stehenbleiben, um etwas zu lesen, werden wir sofort nach einem Foto gefragt. Wenn wir freundlich darauf hinweisen, dass wir gerne erst noch kurz eine Infotafel lesen würden, wartet man gespannt ab, wobei sich meist nur eine noch größere Traube an Menschen bildet. Da wir so nicht viel aufnehmen können, beschließen wir relativ schnell, weiterzulaufen und den Park wieder zu verlassen.

Goldener Tempel bei Mittag und eine erfolglose Wechselstubensuche

Wir laufen zum nahegelegenen goldenen Tempel, damit wir hier auch noch einmal mit der Kamera ein paar Bilder schießen können und die Atmosphäre des Ortes aufnehmen können. Da es deutlich voller als am Vortag ist, der Boden wahnsinnig heiß ist und wir ohnehin abends noch einmal wiederkommen wollen, laufen wir aber weiter und gehen für eine kurze Mittagspause ins Hotel.

Am kommenden Tag soll es endlich nach Pakistan gehen. Das Visum in your Inbox liegt vor und damit haben wir zumindest die Erlaubnis, einreisen zu dürfen und eine Art Visum on Arrival beantragen zu können. Da wir hinter der Grenze entweder per Bus oder Taxi weiterkommen müssen, wollen wir noch etwas Geld wechseln. Wir lesen zwar, dass dies wohl auch an der Grenze selbst möglich ist, vermuten aber, dass wir in Amritsar einen besseren Wechselkurs für unsere übrigens indischen Rupien erhalten. Tja, falsch vermutet. Leider ist Wechselstube 1 nicht zu finden und nach einem langen Marsch zu Wechselstube 2 wird uns gesagt, dass man vor Ort gar keine indischen Rupien in pakistanische Rupien tauschen kann (zumindest nicht in offiziellen Wechselstuben).

Da wir inzwischen etwas frustriert von dem ganzen Umsonst-Gelaufe sind, beschließen wir, es drauf ankommen zu lassen und unser Geld am nächsten Tag an der Grenze zu wechseln.

Goldener Tempel bei Abend

Nach einem weiteren kleinen Marsch zu unserer heutigen Dinner-Location, die sich leider als enttäuschend herausstellt, laufen wir noch einmal zum goldenen Tempel. Dieser ohnehin schon wahnsinnig schöne Ort wirkt bei Nacht noch einmal prunkvoller. Der Tempel leuchtet in einem tiefen Gold, die Palastanlage drumherum wird beleuchtet und die Stimmung ist sehr entspannt. Unter den Arkaden sehen wir schon viele Leute schlafen. Wir setzen uns eine Weile und schauen dem Treiben zu. Für die ein oder andere Selfie-Anfrage stellen wir uns selbstverständlich zur Verfügung und stehen auch gerne wieder kurz auf. Wir reflektieren ein bisschen unsere Erlebnisse der letzten Tage und freuen uns genauso auf unsere Weiterreise nach Pakistan und vor allem, dass wir diese Entscheidung inzwischen final für uns getroffen haben.

Auf dem Heimweg sehen wir noch, wie auf der Straße Eis und Süßigkeiten unter den Menschen verteilt werden. Weshalb wissen wir nicht so genau, aber wir haben das schon ab und zu gesehen. Den Heimweg laufen wir dadurch im Prinzip komplett auf Plastik, denn wie üblich wird sämtlicher Müll einfach vor die eigenen Füße auf die Straße geworfen.

Müde erreichen wir das Hotel und gehen in freudiger Erwartung auf den nächsten Tag ins Bett.

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Delhi (diesmal ohne Belly)
Tschüß Indien!

5 comments

  • Dirk
    2. Juni 2023

    An der Stelle nochmal vielen Dank fürs sehr unterhaltsame und anschauliche Mitnehmen auf eurer Reise! ❤️

    Bin zwar immer deutlich was hinterher, aber das tut der Stimmung keinen Abbruch! prima, weiter so, Schiff ahoi und weiterhin frohes Fröhlichsein auf den nächsten Etappen!

    Reply
    • Konsti
      9. Juni 2023

      Danke dir für deinen Kommentar – da sind wir hocherfreut 🙂

      Reply
  • Nikolaus Scheerbarth
    15. Juli 2023

    Hallo Ihr Beiden, zur Zeit lese ich Euren Blog jeden Abend im Bett vorm Einschlafen und ich muss sagen er gefällt mir ausgesprochen wirklich gut. Die Texte, die Fotos und die kurzen Videos, bis auf diese liest es sich wie ein spannendes Buch. Chapeau…Beste Grüße von Niko

    Reply
    • Konsti
      15. Juli 2023

      Hi Niko, das ist aber nett von dir! Wir hoffen, die Texte sind nicht so langweilig, dass du davon einschläfst. 🙂 Viele liebe Grüße aus Kirgisistan! Konsti + Caro

      Reply
      • Niko
        17. Juli 2023

        …nein, überhaupt nicht, danach gucke ich noch TikTok (seht mal Concorso d’Eleganza Villa d’Este) und darüber schlafe ich manchmal ein…

        Reply

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