Viele Wege führen zum Songköl
Die Nacht ist kürzer als gedacht und die Reisegruppe Germaniya startet früh, allerdings etwas angeschlagen vom Bier Richtung Kotschkor. Die ruckelige Fahrt schlägt uns etwas auf den Magen und wir sind froh, als wir am frühen Nachmittag in Kotschkor ankommen. Von dieser kleinen Stadt starten die meisten Touren an den Songköl-See. Mit einem Taxi kann man von hier in ca. zwei Stunden hoch zum See fahren und dort in einer Jurte übernachten. Mit dem Pferd kann man sich von Kyzart, einem ca. 2 Stunden entfernten Dorf ebenfalls hoch zum See reiten lassen. Zu Fuß kann man ebenfalls von dort starten, benötigt aber eine Zwischenübernachtung bis man oben am See ankommt. Jonas hat sich vorab schon gut informiert, trotzdem klappern wir ein paar „Touristeninformationen“ ab. Diese sind hier allerdings keine staatlich geförderten Infozentren, die kostenfrei eine Beratung zur Verfügung stellen, sondern Tourenanbieter, die in jeder/jedem Tourist:in eine potenzielle Einnahmequelle sehen. Insbesondere mit den Taxifahrten zu Destinationen, zu denen keine öffentlichen Verkehrsmittel fahren, wird hier gutes Geld verdient. Beim Vergleich der Anbieter wird immer der gleiche Preis genannt. Da auch die Übernachtungen nicht sehr günstig sind, entscheiden wir uns für folgende Route:
Tag 1
Fahrt zum Ostufer des Sees, eine Wanderung entlang des Sees Richtung Norden mit abschließender Übernachtung in einer Jurte.
Tag 2
Früher Start zu Fuß über den Pass und runter zum Dorf Kyzart, von wo aus wir hoffentlich eine Maschrutka zurück nach Koschkor bekommen.
In unserer Unterkunft für die Nacht, wir teilen uns ein kleines Zimmer mit Jonas, buchen wir einen Fahrer, der verspricht uns am nächsten Morgen um 7 Uhr zu fahren. Es handelt sich um den Bruder des Gasthausbesitzers, die auch gleichzeitig noch einen solchen Tourenservice betreiben. So haben wir immerhin nur einmal die Transportkosten zum See, können dennoch wandern und machen eine kleine Rundtour. Eine Jurte wollen wir uns spontan suchen, nicht jede Jurte ist über Booking oder generell zu kontaktieren.
Kotschkor
Da wir früh dran sind, erkunden wir noch etwas Kotschkor bzw. die nähere Umgebung. Am Fluss treffen wir vier Kirgis:innen, die Teppiche auf der Wiese reinigen. Einer ist betrunkener als der andere, wir machen ein paar Fotos, unterhalten uns kurz (so gut das eben von der Sprachbarriere abgesehen noch geht) und decken uns dann an den Straßenständen und in einem Minimarkt mit Proviant für die nächsten Tage ein.




Am Abend wollen wir noch etwas essen gehen. Beim Betreten der herausgesuchten Location sind wir uns allerdings schnell einig, dass dies eigentlich eine Hochzeitslocation ist. Eine riesige Halle ist kitschig mit weißen Kunstblumen geschmückt. Nebendran befindet sich ein kleiner Gastraum. Der ist wie ausgestorben, wir wollen es trotzdem versuchen. Die Auswahl der Karte ist begrenzt, aber wir finden etwas traditionell Vegetarisches und eine weniger traditionelle Pizza Margarita. Zurück in der Unterkunft wird mal wieder umgepackt. Wir bekommen Besuch vom Hauskater, der uns etwas Gesellschaft bei den letzten Vorbereitungen leistet und sich bei uns generell sehr wohl zu fühlen scheint. So wohl, dass er nachts noch zwei Mal durchs Fenster kommt. Davon bekommen wir allerdings nichts mit, Jonas bugsiert ihn wieder vor die Tür, da er laut maunzt.

Einmal auf den Berg bitte 🙋🏻♂️🙋🏼♀️🙋🏻♂️
Nach einem schnellen Frühstück werden wir abgeholt und fahren ca. zwei Stunden auf den Berg zum See. Die Landschaft wird immer schöner und wir sichten ein paar Murmeltiere, die schon wesentlich aktiver sind als wir.


Oben angekommen werden wir am See herausgelassen, ziehen die Rucksäcke auf, kuscheln kurz zwei (mehr oder weniger schöne) Hunde und ziehen dann direkt los. Auf weiten Wiesen sind viele Kuh- und Pferdeherden.






Immer wieder laufen wir an Jurtencamps vorbei. Wir haben vorab schon gelesen, dass es viele touristische Jurtencamps im Osten und Süden des Sees gibt, wir hoffen auf etwas weniger Andrang im Norden. Je länger wir laufen, desto weniger Jurte sehen wir. Der ebene Weg führt entlang des Sees und wir sind ganz alleine.




Irgendwann verabschieden wir uns vom Weg und laufen Richtung See. Dort laufen wir weiter entlang und kommen irgendwann durch ein hügeliges Feld. Die grasbewachsenen kleinen Hügel erinnern und an das Eisschollen-Spiel von Tabaluga, wir hüpfen vom einen zum anderen und müssen aufpassen, weder umzuknicken noch in die sich darunter befindliche Matsche zu treten. Wir sind nun schon etwas länger unterwegs und entschließen uns eine Pause einzulegen.


Beim guten alten Käsebrot, etwas Obst und Muffins quatschen wir und überlegen, wie weit wir noch gehen und wo unser Camp für die Nacht liegt. Je weiter wir heute kommen, desto besser. Da sind wir uns einig.
Einschub: Flora und Fauna
Wir laufen weiter und Caro identifiziert eine weiße flauschige Blüte als Edelweiß. Kann das sein? Die hübsche Blume kennen die meisten wahrscheinlich von österreichischen Marken, aber in der Natur hat Caro sie zuletzt irgendwann als Kind gesehen. Wir machen ein Foto, um uns mit Internet bei Caros Mama zu versichern, ob diese Vermutung tatsächlich stimmt.

Hier sind so viele schöne Blumen und Gräser. Unsere laienhaften Kenntnisse lassen aber leider keine weiteren Zuordnungen zu. Außer Löwenzahn und Schnittlauch.
Nazgul und Nasdan
Keine Sorge, wir machen keinen Abstecher nach Mordor. Zugegebenermaßen musste sich Konsti beim ersten Mal sehr zusammenreißen, als Nazgul sich vorgestellt hat. Aber erstmal 15 Minuten zurück.
Nach ca. 20 km Wanderung um den See sichten wir zwei Jurten, die etwas im Landesinneren und nicht direkt am See liegen. Sie sehen alles andere als nach Touristenjurten aus, rundherum stehen lauter Tiere. Kühe, Pferde (was auch sonst), Schafe und ein Hund ist ebenfalls angeleint. Eine Frau sitzt vor der Jurte. Etwas schüchtern gehen wir auf sie zu und fragen nach, ob wir hier übernachten können. Wir stellen schnell fest, dass unsere gemeinsame Sprache Lachen, Hände und Füße sind. Nazgul kann nur Kirgisisch und Russisch und wir.. naja, dass wisst ihr ja.. können weder das eine noch das andere. Mit dabei ist auch Nasdan, ihre 7 jährige Tochter, die schüchtern aber neugierig um uns herum läuft. Nazgul versteht unsere Zeichensprache, zeigt uns eine Schlaf-Jurte, in der auf dem Boden eine Matratze liegt und ein Kinderbett steht. Neben großen Eimern, einem kleinen Gasherd und ein bisschen Nudel-Proviant.



Kein Problem, für umgerechnet 12 Euro pro Person können wir hier schlafen. Essen inklusive. Wir zeigen einen Screenshot mit der Übersetzung, dass wir kein Fleisch essen. Nazgul nickt. Wir sind kurz verunsichert, weil wir uns nicht sicher sind, ob es genug Schlafplätze und Decken gibt. Aber das wird schon passen. Wir setzen uns auf die Wiese und philosophieren über den weiteren Weg am morgigen Tag. Aktuell ist es ca. 15.30 Uhr und wir wollen auf jeden Fall früh schlafen gehen.
Tischlein deck dich
Dann werden wir in die andere Jurte geführt. Wir ziehen beim Betreten unsere Schuhe aus. In der Jurte befindet sich ein kleiner Ofen mit Kochstelle. Ein Rohr führt durch die Decke der Jurte, das Abzugsrohr des Qualms. In der Mitte befindet sich ein niedriger Tisch, er ist gedeckt und wir setzen uns drumherum auf den Boden, der mit Teppichen ausgelegt ist. Das Tischlein ist typisch kirgisisch gedeckt. Ein Gläschen mit Marmelade, Bonbons, Brot und zwei für uns am Anfang undefinierbare weitere Gläschen. Einmal mit gelblichem und einmal mit weißem Inhalt. Nazgul erklärt uns, dass es sich um Butter und Kaymak handelt. Beides selbstverständlich selbst hergestellt. Dazu wird Chai gereicht. Wir stärken uns und es schmeckt alles sehr gut. Dann kommt das, was zu erwarten war. Ob wir Kymis kennen, Nazgul zeigt auf einen großen Eimer. Ähm ja, kennen wir.




Wir kommen nicht drumherum und bekommen unsere Tassen gefüllt. Caro hat noch Tee und schaut erschrocken auf die gefüllten Tassen von Jonas und Konsti. Die beiden verziehen keine Miene. Haben sie ein gutes Pokerface oder wollen sie Caro zum Probieren animieren? Angeblich ist es wesentlich milder als unsere Version aus dem Supermarkt. Konsti zieht den Vergleich zum Äppler, leicht prickling und gegoren eben. Caro muss natürlich auch probieren und gibt den beiden tatsächlich recht. Ein Schluck reicht, aber es schmeckt tatsächlich wesentlich besser. Nazgul gibt uns zu verstehen, dass Kymis einen Alkoholgehalt hat und dass es hier zu gern getrunken wird. Auch die kleine Nasdan bedient sich an dem Eimer. Na gut, wenn man früh anfängt, ist man wohl dran gewöhnt. Ein Mann betritt die Jurte. Er nickt uns kurz zu, wirkt aber nicht sonderlich herzlich und begeistert, uns zu sehen. Er trinkt ein paar Becher Kymis und verschwindet dann wieder auf seinem Pferd.
Nazgul schneidet auf dem Tisch ein paar Zwiebeln, sie scheint direkt weiter zu kochen. Okay, wenn wir das gewusst hätten, wären wir etwas zurückhaltender mit dem Brot gewesen. Das Rezept scheint simpel zu sein: Zwiebeln in Öl anbraten, Nudeln und Wasser hinzu. Ein kleines Gewürztütchen sorgt für den Geschmack und so wird das ganze ein bisschen auf dem Ofen gekocht. Die Feuerstelle wird hier übrigens, wie oftmals in Kirgisistan, mit trockenen Kuhfladen befeuert. Holz gibt es so hoch über der Baumgrenze schließlich nicht. Getoppt wird das Nudelgericht übrigens mit einem Spiegelei. Wir sind mehr als zufrieden mit der üppigen Schüssel Nudeln und sind darüber hinaus mehr als gesättigt.
Verständigung mit dem Herzen
Wir sitzen zusammen und unterhalten uns. So gut es eben unter den Voraussetzungen geht. Alle folgenden Angaben sind also ohne Gewähr. Zugegebenermaßen haben wir drei nicht immer alle das gleiche verstanden, aber wir setzen alles wie ein Puzzle zusammen. Nasdan ist sieben Jahre alt und geht ab September in die erste Klasse in die Schule. Die beiden verbringen gemeinsam mit den Tieren die Sommermonate hier oben am See. Nazgul melkt die Kühe und Pferde und stellt dann aus der Milch Butter, Kaymak und Kymis her. Zudem gehört noch eine Schafsherde dazu, die von einem Schafstreiber (dem Herren, der schon kurz in der Jurte vorbeigeschaut hat) auf einem Pferd beisammen gehalten wird. Das ist aber nicht Nazguls Mann. Dieser arbeitet nämlich beim Bau der neuen Hauptstraße (generell gibt es viele neue Bauprojekte für Straßen, die sonst in einem schrecklichen Zustand hier sind). Nazgul ist 45 Jahre alt und hat auch noch drei weitere Kinder, die (so glauben wir) studieren und/oder in Bischkek leben bzw. ein Sohn in Russland arbeitet. Was uns noch auffällt: Die beiden haben sehr rote Wangen. Allerdings nicht (nur) vom Kymis. Es sieht so aus, als wenn die Haut im Gesicht und auch bei Nasdan an den Händen schon oft von der Sonne verbrannt ist. Das macht uns etwas traurig, Sonnencreme scheint es hier oben nicht zu geben.
Spiel, Spaß, Spannung
Nazgul begibt sich irgendwann wieder an die Arbeit und langsam taut Nasdan auf. Wir setzen uns nach draußen und fangen an, ein bisschen mit ihr zu spielen. Wir würfeln, stapeln unsere kleinen Würfel-Schweine und spielen kleine Versteckspiele.


Im Gegensatz zu uns, hat Nasdan heute noch keine 20 km zurückgelegt. Vermutlich möchte sie unsere Müdigkeit ausnutzen und fordert uns zu zahlreichen Wettrennen, Turn-Übungen und Limbo heraus. Wir können ihr natürlich nichts ausschlagen und sind für jeden Spaß (und jede weitere Anstrengung) zu haben.
Nasdan zeigt uns auch zwei kleine Ziegenbabys. Sie klettert kurzerhand über den Zaun des Geheges und drückt Caro und Konsti die beiden kleinen Ziegenbabys in den Arm.


Kymis in the making
Nazgul kommt vom Melken zurück und winkt uns zur Schlaf-Jurte. In einem großen Fass befindet sich Kymis im Herstellungsprozess. Sie erklärt uns, dass sie immer wieder neue Milch hinzugibt und das ganze mehrmals am Stand gestampft und gerührt werden muss.
Sie zeigt uns wie es geht und dann wird der heilige Stab übergeben. Wir dürfen auch mal ran und Caro hat schnell den Dreh raus. Nazgul ist begeistert, bescheinigt Caro, eine echte Kirgisin zu sein und lacht laut. So schön, dass einem das Herz dabei nur aufgehen kann.
Danach folgt die nächste Ansage. Wir sollen mit Nasdan ein paar Kühe und Pferde Richtung Melkstelle treiben, damit sie dort mit dem Melken weitermachen kann. Na klar, da helfen wir doch gern. Besonders Jonas, der eigentlich kein Riesen-Tierfan ist, geht in der Aufgabe auf. Wir sind verblüfft, wie viel Arbeit dahinter steckt und wie viel Zeit es jeden Tag kosten muss, die Tiere hier oben zu melken und die Molkereiprodukte von Hand herzustellen (und fragen uns in unserer westlichen Arroganz ehrlicherweise auch, ob das ein profitables Business Model ist).
Top gestylt zum Sonnenuntergang
Nazgul deutet Nasdan, uns etwas zu zeigen und Nasdan gibt uns zu verstehen, dass wir ihr folgen sollen. Wir verstehen nicht, wo es hingehen soll, aber wie schon gesagt, wir könnten ihr niemals einen Wunsch ausschlagen und wirklich erfragen können wir es auch nicht. Wir überqueren ein paar Hügel und kommen schließlich in der Nähe des Sees auf einem felsigen Hügel an. Immer wieder pflückt Nasdan uns Blumen, die sie uns in die Haare und hinter die Ohren steckt. Wir werden top gestylt und selbstverständlich pflücken wir auch für sie bunte Blümchen. Vom Felsen aus haben wir eine traumhafte Aussicht auf den See und schauen uns von hier den Sonnenuntergang an.







Danach spazieren wir wieder zurück. Bevor es zu dunkel wird, ist uns eine Sache noch ganz wichtig. Wir möchten unbedingt ein Erinnerungsfoto mit den beiden machen. Nazgul verschwindet noch schnell in der Schlaf-Jurte und kommt mit einem neuen Kopftuch heraus. Extra für das Foto. Gut, dass wir zumindest noch ein paar Blümchen im Haar haben, so sind wir alle top gestylt.

Erst der Chai dann die Schafe
Zum Abschluss des Tages bekommen wir nochmal einen frischen und heißen Chai. Langsam wird es dunkel und damit auch kühl. Wir haben bereits unsere Jacke herausgekramt und übergezogen. Wir bekommen wieder Brot angeboten, sind aber noch satt vom umfangreichen Nachmittagsessen. Dann kommt wieder der Schafshirte herein. Jetzt hat er ein Lächeln auf dem Gesicht und wirkt wesentlich freundlicher. Ob das am bereits konsumierten Kymis liegt? Nazgul zufolge ist er der beste Schafshirte, vor allem nach dem Konsum. Jedenfalls gönnt er sich noch ein paar Becher und erzählt, dass seine Söhne in Bischkek studieren.
Danach müssen wir nochmal ran. Es dauert einen Moment, bis wir das verstanden haben, aber wir sollen beim Schafe reintreiben helfen. Wir haben uns schon von Beginn an gefragt, wofür das kleine eingezäunte Stück Fläche ist. Jetzt wissen wir es. Die einzige Frage, die sich nun noch stellt: Wie zur Hölle sollen all diese Schafe in dieses kleine eingezäunte Viereck passen? Wir werden mit Stöcken ausgestattet und los geht’s. Ein Bild für die Götter würden wir sagen. Wir haben keinen Plan, was wir tun, machen komische „Treibgeräusche“ um die Schafis nett aufzufordern, loszuziehen. Caro versucht es mal mit „Vamos!“, wir bezweifeln allerdings, dass die Schafe über Spanischkenntnisse verfügen. Die große Masse setzt sich in Bewegung und als die ersten den Weg auf die Koppel finden, laufen tatsächlich viele hinterher. Viele, aber weit nicht alle. Wahrscheinlich weil auch die Schafe mittlerweile der Meinung sind, dass es zu voll wird. Also läuft der Rest schnurstracks außen um das Gehege herum. Der Schafshirte versucht durch das Wirbeln mit einer Jacke die Schafe im Gehege enger zusammenzubringen, sodass am Eingang nachgerückt werden kann. Dann beginnt das Spiel von vorne und wir lotsen den Rest der Herde wieder zum Eingang. Ein paar dickköpfige Schafe lassen sich aber vom Trick nicht verarschen und laufen ein weiteres Mal am Gehege vorbei. Das ganze geht dann noch 5 Minuten weiter, dann geben wir auf. Anscheinend ist es nicht ungewöhnlich, dass ein paar Freigeister vor dem Gehege nächtigen, da die Herde auch so zusammenbleibt. Na gut, jede und jeder darf ja auch sein, wie er/sie mag. Zu guter Letzt tragen wir noch die zwei Baby-Ziegen ins Gehege. Im ganzen Gewusel sind die beiden irgendwie nicht hinterhergekommen und standen ganz abseits und verloren zu zweit beieinander. Gute Nacht liebe Schafis und Ziegis. Auch wir putzen uns die Zähne und gehen ins Bett. Unsere Matten liegen alle nebeneinander wie im Zeltlager. Jetzt fehlt eigentlich nur noch die Gute Nacht Geschichte von Nazgul. Ob diese wohl von der Schlacht von Mordor handeln würde?
Abschied am Morgen
Der erste Hahn gibt schon weit vor dem Sonnenaufgang alles. Schon gegen halb 5 steht Nazgul auf, klar, die Kühe und Ziegen müssen wieder gemolken werden. Obwohl wir eigentlich auch um 5 Uhr aufstehen wollten, bleiben wir noch etwas liegen. Unter der Decke ist es so kuschelig warm. Ganz im Gegensatz zu draußen, wie wir schnell feststellen, als wir uns doch gegen halb 6 aufraffen. Nasdan schläft noch tief und fest, so fällt der Abschied etwas leichter. Bei Nazgul bedanken wir uns noch ausgiebig und verabschieden uns. Wir hoffen sehr, dass sie uns schreibt, wir haben ihr Konstis WhatsApp Nummer gegeben. Ein letztes Mal winken wir allen Pferden, Kühen, Schafen und dem Hund.



Wahnsinn, wie schön die gemeinsame Zeit hier war. Wir sind so dankbar und ganz sicher, dass wir diese gemeinsamen Momente nicht vergessen werden. Wir durften so viel Herzlichkeit erfahren, ohne eine gemeinsame Sprache, haben wir uns doch so gut verstanden und vor allem Nasdan richtig ins Herz geschlossen. Auf solche Momente kommt es doch an, oder?
Auf nach Kyzart
Der Tau liegt noch auf den Wiesen, die Sonne hat es noch nicht über den Berg geschafft. Wir nehmen den Trampelpfad direkt über der Jurte. Es geht bergauf und schnell wird uns warm. Am höchsten Punkt des Weges machen wir noch einen kurzen Abstecher auf den nächsten Hügel. Von dort erhoffen wir uns einen schönen Ausblick.



Wir werden für die extra Schritte belohnt und gönnen uns eine Banane. Danach geht’s noch ein Stück weiter hoch, von wo aus wir den ersten Blick auf das Tal bekommen. Auf dem Grat erwartet uns noch eine Pferdeherde, die den Ausblick ebenfalls zu genießen scheint. Ein Hengst vielleicht auch noch etwas anderes..


Ab jetzt geht es ausschließlich bergab ins Tal, das Ziel in weiter Entfernung und gemeinerweise schon früh sichtbar. An einer schönen Blumenwiese mit toller Aussicht machen wir eine Frühstückspause. Jonas bemerkt plötzlich einen komischen Geruch, woher kann das kommen? Kurz darauf kommt eine Schafsherde mit einem Hirten auf dem Pferd vorbei. Die Schafsherde zieht den Berg weiter, aber der Hirte stattet uns einen Besuch ab. Wir bieten ihm etwas von unserem Brot ein. Er nimmt ein Stück, merkt aber schnell, dass es bereits ziemlich hart ist. Dann doch lieber ein Stück Gurke. Er setzt sich zwischen die Jungs, Caro macht ein Foto und im Anschluss zeigt er den Jungs noch Familien- und Urlaubsfotos. Danach schwingt er sich wieder aufs Pferd und reitet den Schafen hinterher. Ein lustiger Besuch.


Danach geht’s gut gestärkt weiter und der Weg Richtung Dorf zieht sich in die Länge. Die Aussicht wird weniger spektakulär, die Sonne brutzelt auf unsere Köpfe und die Beine immer schwerer.


Umso mehr freuen wir uns, als wir endlich in Kyzart ankommen. Es dauert bis wir überhaupt einen Menschen sehen, das Dorf scheint wie ausgestorben zu sein. Auch die Bushaltestelle ist nur ein Mini-Häuschen im Nirgendwo. Ob hier überhaupt eine Marschrutka kommen wird? Wir rasten erstmal.
DJ I-Love-You-Rock
Als wir ein paar Autos sichten, halten wir diese an. Leider fährt keiner nach Kotschkor. Ein Mann bietet uns eine Taxifahrt für ungerechnet 30 Euro an, das ist uns zu teuer. Ob hier eine Marschrutka kommt? Das weiß angeblich keiner. Wir beschließen 10 Minuten weiter zur Hauptstraße zu laufen. Vielleicht kommen wir hier weiter. Viel passiert erstmal nicht, uns fällt allerdings ein Auto auf, dass offensichtlich eine Touristin nach Kyzart fährt. Keine 10 Minuten später hält das Auto (jetzt ohne Touristin) neben uns. Der gut gelaunte Fahrer lässt mit sich verhandeln und nimmt uns für 15 Euro mit nach Kotschkor. Wahrscheinlich wäre er sonst ohnehin leer wieder nach Kotschkor gefahren und nimmt so noch etwas Geld mit. Für uns kommt er allerdings genau zum richtigen Zeitpunkt. Schließlich wollen wir heute noch von Kotschkor weiter nach Bischkek fahren. Mit einem freundlichen „Okay, let’s go“ deutet er uns, einzusteigen. Als wir unsere Sachen einladen und er erfragt hat, dass wir aus Deutschland sind, schmettert uns noch fröhlich einen Gruß entgegen, der in Deutschland eher so zwischen 1933 und 1945 in gewesen ist. Passiert uns nicht zum ersten Mal, ist aber trotzdem weird. Musikalisch sind wir wesentlich mehr auf einer Wellenlänge. Bei „Money for nothing“ von den Dire Straits ist Konsti sofort begeistert. Beide singen lautstark mit. Darauf folgt Destiny’s Child, eine lustige Mischung. Als er dann noch erklärt, dass er gerne I-Love-you-Rock hört, sind wir wieder bei bester Laune. Die Stimmung ist gut, dennoch sind wir etwas müde. Caro und Jonas nutzen die Fahrt für ein kleines Mittagsschläfchen.
Ab ins nächste Gefährt
Zurück in Kotschkor holen wir kurz unsere großen Rucksäcke im Hostel ab, verabschieden uns noch einmal von dem kleinen süßen Kater, der sofort begeistert auf uns zugekommen ist und begeben uns dann zur Busstation.

Direkt ergattern wir ein paar Restplätze in einer Marschrutka Richtung Bischkek. Konsti und Jonas besetzen die letzte Reihe mit höchst unbequemen Sitzplätzen und schlechter Luftzufuhr. Caro findet einen Platz neben einer jungen Mutter mit Baby, das zwar seine warmen Füßchen immer wieder auf ihren Oberschenkeln platziert, aber sonst die Fahrt bei der Hitze tapfer mitmacht. Konsti bucht von unterwegs noch unser Hostel für die nächsten beiden Nächte. Leider ist das Wakeup Hostel in der Innenstadt ausgebucht. Die Schweizer haben von einem netten Hostel etwas außerhalb des Zentrums erzählt. Dann nehmen wir eben das, heute sind wir nicht mehr wählerisch. Außerdem erhoffen wir uns, den stets betrunkenen Autor zu treffen, der wegen seines Getrinkes nicht mehr weiter mit dem Schreiben kommt (ein Teufelskreis), von dem uns erzählt wurde. Naja, hauptsache eine Dusche, die haben wir dringend nötig. Nach ca. 4 Stunden kommen wir in Bischkek an, springen spontan an einem günstig gelegenen Halt aus dem Bus und nehmen von hier noch ein Yandex zum Hostel.
Tunduk Hostel
Das Hostel liegt außerhalb der Stadt. Hier sieht es mehr nach einem Wohngebiet. Gut, dass die Schweizer uns vorgewarnt haben, dass das Hostel von außen kein Schild hat. Wir klingeln bei der passenden Hausnummer und werden herzlich von Baitur und Az, der Tochter der Hostelbesitzer, empfangen. Sie zeigen uns unseren Schlafplatz. Einmal durch den Garten befindet sich eine Jurte mit 4 Doppelstockbetten. Aber das beste befindet sich im Garten – der hoch angepriesene Pool! Und tatsächlich wird dieser auch genutzt und sieht sehr sauber aus.



Sehr einladend, aber nicht mehr heute. Wir gehen duschen und machen uns dann direkt auf den Weg zum Abendessen. Wir wollen nun endlich das Essen im Sierra Café ausprobieren, das uns angepriesen wurde. Angeblich gibt’s hier eine gute vegetarische Auswahl. Das Essen ist ganz okay, dafür schmeckt das Bier umso besser. Jonas, von dem wir uns im Bus gar nicht richtig verabschieden konnten, kommt auch noch auf ein Bier vorbei. Ein schöner Abschluss von unserem gemeinsamen Ausflug zum Songköl-See.
Bischkek die Zweite
Nach einer semi entspannten Nacht im Hostel, sind wir früh wach und versorgen uns erstmal mit Kaffee, den wir auf der überdachten Terrasse trinken. Konsti hatte nach dem anstrengenden Tag und dem abschließenden Bier einen tiefen Schlaf. So tief, dass er das wahnsinnig laute und lang anhaltende Schnarchen des Zimmergenossen nicht mitbekommt (und nein, es kam nicht von ihm selbst). Ganz im Gegensatz zu Caro. Hinzu kommt noch ein komisches, raschelndes Geräusch, das Caro im Halbschlaf entweder dem Typen unter ihr Bett zuordnet oder einer Maus, die sich an unserer Vorratstüte bedient. Es war am Ende wohl der Bettnachbar, der sich morgens um 3 Uhr noch einen Snack gegönnt hat. Klar, warum auch nicht 🙄
Wir beschließen den heißen Tag für die weiteren Planungen zu nutzen. Wir kommen wieder mit anderen Leuten aus dem Hostel ins Gespräch, recherchieren für Usbekistan, kühlen uns zwischendurch im Pool ab, spielen eine Runde Tischtennis und kochen mal wieder vor. Morgen steht die lange Fahrt von Bischkek nach Osch an. Dafür wollen wir natürlich mental und kulinarisch (eine klassische Kombi, die ja auch manchmal Hand in Hand geht) gewappnet sein. Zum Abschluss des Tages wollen wir eigentlich noch einmal zum Save the Ales, um dort ein Bier zu trinken. Auf dem Weg dorthin laufen wir allerdings an einem interessanten Gebäude vorbei. Hinter den dunklen Mauern befindet sich ein Irish Pub und der hat sogar einen großen Hinterhof. Kurzerhand ändern wir unsere Pläne und versuchen hier das lokale Bier. Auf den „Rostigen Nagel“ (Na, bei wem werden hier Marburger Erinnerungen wach?) verzichten wir ausnahmsweise. Eigentlich wollen wir nur eins trinken und weiterziehen. Aber dafür ist es hier einfach zu schön, es ist richtig was los und dann spielt auch noch eine Liveband. Wir können nicht anders und bleiben. Der Abend ist sehr schön.



So schön, dass wir am Ende auch noch vergessen, Geld für den kommenden Tag abzuheben. Dann halt noch einmal vom Hostel zurück zum nächsten ATM. Bzw. eher zum nächsten funktionierenden ATM. Etwas später als geplant landen wir im Bett. Gut, dass wir zumindest schon gepackt haben.