Cluburlauber

Just another Reiseblog

  • Startseite
  • Reiseberichte
    • Nepal
    • Indien
    • Pakistan
    • Kasachstan
    • Kirgisistan
    • Usbekistan
    • Tadschikistan
    • Malaysia
    • Singapur
    • Indonesien
    • Laos
    • Vietnam
    • Thailand
    • Taiwan
    • Südkorea
    • Japan
    • USA
    • Mexiko
    • Belize
    • Guatemala
    • El Salvador
    • Honduras
Mexiko  /  28. Juni 2024

San Cristobal – Erfahrungen der anderen Art

Das Müdigkeitslevel liegt bei 9/10. Die Nachtfahrt hatte es in sich. Obwohl der Bus halb leer war und wir uns über zwei Sitzreihen verteilen konnten und somit premium viel Platz hatten, haben wir beide trotzdem schlecht geschlafen. Da wäre nämlich zum einen der beißende Geruch des WCs, der sich besonders zu Beginn im halben Bus breit gemacht hat. Zum anderen war die Strecke heute Nacht sehr kurvig. Der schnelle Fahrstil des Busfahrers hat nicht dazu beigetragen, es besser zu verkraften. In San Cristóbal, eigentlich San Cristóbal de las Casas, spazieren wir nach Ankunft eine knappe halbe Stunde zu Fuß zur Unterkunft. Und da wären wir auch schon, im wohl schönsten und herzlichsten Hostel Mexikos.

La Posada de abuelitos

Übersetzt bedeutet dies übrigens so viel, wie das Gasthaus der Großeltern, was direkt am wunderschönen Keramikbild an der Außenwand zu erkennen ist. Hinter einem Holztor durchschreiten wir erstmal einen kleinen Weg mit riesigen Engelstrompeten, deren große weiße Blüten über unseren Köpfen hängen und wahnsinnig gut duften – zum Reinbeißen. Danach befinden wir uns im Innenhof, wo auch die Rezeption ist. Wir werden sehr nett begrüßt und hangeln uns mal wieder mit unserem Spanisch durch. Check in ist leider erst ab 14 Uhr, schade. Aber dafür können wir unsere Sachen unterstellen und erstmal frühstücken, das ist hier nämlich inklusive. Obwohl es noch recht früh ist, sind viele Menschen unterwegs und wir sind verwundert, wie viele Zimmer es hier geben muss. Über zwei Innenhöfe/Gärten verteilt sitzen überall Gäste in kleinen Sitzecken und lassen sich das Frühstück schmecken.

Apropos Frühstück. Wir trauen unseren „Backpacker-Augen“ nicht. Es gibt eine riesige Schüssel mit frischem Obst (Wassermelone, Banane und sogar Mango), zweierlei Cornflakes mit Milch, gutes Brot zum Toasten, Butter und Marmelade. Aber das beste: Zwei Frauen, man könnte auch sagen „Muttis“ kümmern sich herzallerliebst um die Eierspeisen-Wünsche der Gäste. Vor allem die eine der beiden Frauen, stark geschminkt und etwas fülliger läuft herum und fragt, ob noch jemand einen Wunsch hat. Ihre liebevolle Art zu sprechen, ihr Lächeln und das köstliche Rührei, lässt hier richtiges Zuhause-Feeling aufkommen. Im ersten Moment sind wir zwar noch überfordert, aber einen Kaffee später, sitzen wir auch mit einem Frühstück im Innenhof. Hier ist es einfach wunderschön und ab dem ersten Moment haben wir das Gefühl, dass hier die Uhren etwas entspannter ticken. Lustigerweise hören wir schon jetzt ein paar deutsche Gespräche, aber auch ein Holländer und Franzosen können wir identifizieren. Und wen wir auch identifizieren können, sind die Kolibris, die sich hier vor allem zur Morgenzeit blicken lassen und flink an den Blüten der ganzen Pflanzen hier entlang fliegen.

Erkundungstour mit Müdigkeit 

Um die Zeit bis zum Checkin etwas herum zu bekommen, machen wir uns auf den Weg in die Stadt. Wir haben ein paar Dinge abgespeichert. Kirchen, Plätze, Märkte. Was unseren müden Körpern direkt auffällt: Die Stadt ist ganz schön bergig. Sie liegt im zentralen Hochland von Chiapas auf ca. 2.100 m Höhe. Im umliegenden Bergland sind die Maya Zuhause. In den vom Maya-Stamm der Tzotzil bewohnten Ortschaften im Norden und Nordwesten San Cristóbals wie Chamula und Zinacantán werden zum Teil noch indigene Traditionen und Lebensweisen bewahrt und gepflegt. Mehr zu den beiden Orten später. Die Stadt wurde 1528 als Villa Real de Chiapa gegründet. Nach einigen Namensänderungen hieß die Stadt seit 1829 San Cristóbal; die Ergänzung de las Casas wurde 1848 angefügt, um Bartolomé de Las Casas zu gedenken, einem spanischen Dominikaner, der als Bischof von Chiapas in der Kolonialzeit für die Rechte der indigenen Bevölkerung eintrat. Die Stadt ist weltberühmt für ihre Kolonialarchitektur mit der Klosterkirche Santo Domingo.

Es ist schon schön hier, aber besonders die Stufen zu den Kirchen sind heute anstrengender als sonst. Da der Stadtkern nicht so groß ist, fällt es schnell auf, dass es hier relativ viele Besucher:innen gibt. Auf einer der Hauptfußgängerzonen reihen sich die Geschäfte und Restaurants aneinander. Ein kleines bisschen erinnert uns San Cristóbal aber auch an Pai. Wisst ihr noch, die kleine Hippie-Stadt in Thailand? Viele Touris, aber trotzdem ein ganz cooler Vibe. Irgendwann sind wir aber so müde, dass wir wieder zurück zum Hostel gehen. 

Kurzer Nap.. 

Naja, es kommt, wie es kommen musste. Kaum können wir einchecken, liegen wir auch schon in unserem Bett und aus einem kurzen Mittagsschlaf von MAXIMAL einer Stunde, werden fast drei. Das Bett in dem kleinen, süßen Zimmer, das einem alten Bauernhof mit hohen Decken und Holzbalken gleicht, ist zu einladend. Wir lassen den restlichen Abend entspannt ausklingeln und bereiten uns aus unseren Kartoffelresten ein feinstes Bauernfrühstück zu. Köstlich. Die Küche vom Hostel ist nämlich entgegen unserer Erwartungen nicht überfüllt und wir können abends in Ruhe kochen. Wenn man Bauernfrühstück zur Kategorie „Kochen“ zählen darf.

Ab nach Chamula 

Chamula liegt etwas außerhalb von San Cristóbal. Hier leben die Tzotzil, Nachfahren der Maya und genau dafür ist das Dorf bekannt. Die Frauen hier tragen schwarze, fellige und lange Röcke, das haben wir vorher noch nirgends in Mexiko gesehen. Wir fahren mit einem Colectivo ins Dorf.

Die Haltestelle ist schnell gefunden, wir haben Glück und ergattern die letzten beiden Plätze. Es kann also direkt losgehen. Im Dorf angekommen sieht erstmal alles relativ normal aus, ein Bergdorf eben. An der Straße entdecken wir einen Gruppe, die mit einem Guide die Straße herunter läuft. Wir folgen mit etwas Abstand, sind aber dann doch etwas schneller im Zentrum des Interesses. An der Kirche. Wobei das nicht ganz korrekt ist, denn eine geweihte Kirche ist dies nicht mehr. In der ehemaligen Kirche sollen die Tzotzil noch heute ihre Rituale abhalten und beten.

Wir kaufen ein Ticket und bekommen drei Mal gesagt: Fotografieren strengstens verboten. Es ist zwar gestattet, dass Besucher:innen einen Einblick bekommen, aber die Menschen hier möchten verständlicherweise nicht bei ihren Ritualen fotografiert werden. Obwohl das, was wir dort drin gesehen haben definitiv ein paar Fotos wert gewesen wäre:

Es ist ziemlich dunkel, der große Raum wird fast ausschließlich von Kerzenschein beleuchtet. Uns kommt direkt starker Weihrauchgeruch entgegen. Es befinden sich keine Sitzbänke im Raum, nur an den Seiten stehen ein paar Figuren und davor ein paar Tische mit Kerzen. Der Boden ist ausgelegt, man könnte sagen übersäht, mit Kiefernadeln. Es sitzen mehrere Gruppen/Familien auf dem Boden. Vor ihnen zahlreiche kleine weiße Stabkerzen, die mit Wachs einfach auf den Boden geklebt sind. Manche haben Tonkrüge neben sich stehen aus denen Weihrauch dampft.

Ein paar Menschen beten leise vor sich hin. Neben ihnen stehen ein paar Cola Flaschen, manchmal auch Limo und eine Glasflasche mit einer transparenten Flüssigkeit. Die Atmosphäre ist etwas mystisch und ein bisschen creepy. Wir betrachten die Szenerie vorsichtig von hinten und gehen dann weiter nach vorne. Hier gibt es tatsächlich auch Jesusfiguren am Kreuz, ein bisschen Christentum ist wohl auch Teil des Glaubens. Während ein paar Männer die Figuren räuchern, nehmen wir eine Melodie war. Wird hier gerade ein Weihnachtslied abgespielt? Kurios. Ebenso kurios wie die blinkenden Neonlichter. Es klingelt ein Handy, telefoniert der Mann jetzt? Eine Mutter schenkt ihren Kindern immer wieder Limo in ein kleines Glas. Eines der Kinder spielt auf einem Handy. Da wir keine Tour und somit auch keinen Guide gebucht haben, haben wir uns in der Informationsquelle namens Internet ein bisschen schlau gemacht. Es werden Zeremonien abgehalten, bei denen die bösen Geister und Krankheiten vertrieben werden. Dass dabei Kerzen, Weihrauch und Blumen zum Einsatz kommen, ist erstmal nicht so ungewöhnlich. Wesentlich verwunderlicher ist aber der Fakt, dass auch Cola fest zu diesem Ritual gehört. Durch das Trinken von Cola sollen Aufstoßer/Rülpser hervorgerufen werden, welche das Böse aus dem Körper treiben sollen. Okay, wild. Aber immer noch besser als Hühner bzw. Hähne zu opfern. Auch das gehört hier zu diesen Zeremonien. Das ist wirklich das, was wir tunlichst nicht sehen möchten. Umso schockierter sind wir, dass eine Frau tatsächlich einen Hahn aus einer Tasche holt. Wir ersparen euch die Details, jedenfalls haben wir zugesehen, dass wir dann doch raus kommen. Das war wirklich interessant. Etwas verwirrt sind wir dennoch. Diese Mischung aus ursprünglicher Tradition, Glauben und irgendwie auch Aberglauben mit Coca Cola und bunten Blitzlichtern in der doch so modernen Welt. Trotzdem fanden wir es super spannend, einen Einblick zu bekommen. Wir lassen unsere Eindrücke etwas revue passieren und spazieren weiter durchs Dorf. Eigentlich wollen wir uns noch ein weiteres Dorf anschauen. Dort kommen wir aber von hier nur mit einem Taxi hin. Das ist uns zu teuer, darum fahren wir zurück nach San Cristobal. 

Cacao 

Da unser kleiner Ausflug wesentlich kürzer ausgefallen ist, als ursprünglich gedacht entscheiden wir uns dem kleinen Kakao Museum, das in der gleichen Straße wie unser Hostel liegt, einen Besuch abzustatten. Um 13 Uhr findet eine englische Tour statt, also nichts wie hin. Außer uns ist noch ein weitere Deutsche mit von der Partie, die zufälligerweise auch mit uns im Hostel wohnt. Das Museum ist wirklich mini und sagen wir mal, die besten Jahre hat es wahrscheinlich auch schon hinter sich. Eine junge Frau gibt uns eine circa halbstündige Führung. Sie erklärt uns die unterschiedlichen Kakaobohnensorten und erklärt auch, dass mittlerweile die Industrie auf die ertragreichsten Sorten setzt. Wenig überraschend, oder? Umso überraschender, dass bereits die Maya Kakaozeremonien abhielten oder Kakaobohnen als Zahlungsmittel verwendeten. Auch wenn das Englisch manchmal etwas schwer zu verstehen ist, erfahren wir einiges zur Geschichte des Kakao und vor allem auch zur Geschichte der Maya.

Und am Ende folgt das, worauf wir uns natürlich am meisten: die Verkostung. Zuerst testen wir drei Kakaosorten. Dunkler Kakao mit hohem Kakaoanteil, dann ein etwas hellerer Kakao mit etwas Milch und zuletzt eine Mischung, in der auch Mais enthalten ist. Diese Kombi haben auch bereits die Maya getrunken. Zumindest laut unserer Führerin. Es folgt ein Schokoladentasting. Über die Anzahl an Sorten können wir uns keinesfalls beschweren, aber wir hätten durchaus auch größere Stücke probiert, als die Stücke, die nicht mal die Hälfte des kleinen Fingernagels groß sind. Zu Beginn testen wir zuerst 100 % Kakaoanteil. Statt bitter schmeckt das Stück vor allem säuerlich. Ein bisschen erinnert es uns auch an Kakaonibs. Es folgen diverse weitere Sorten, sogar eine mit Rosmarin, was wir absolut gar nicht identifizieren können, obwohl der Geschmack so bekannt und vertraut ist. Naja. Für umgerechnet 5 Euro pro Person war es tatsächlich ganz cool, die teure Schoki kaufen wir am Ende natürlich nicht, obwohl uns ein paar Sorten richtig gut geschmeckt haben. 

Am Nachmittag lassen wir uns noch etwas durch die Stadt treiben, schauen in ein paar Geschäfte und tatsächlich kaufen wir auch ausnahmsweise mal etwas. In einem kleinen Laden ist ein Ehepaar gerade damit beschäftigt, Seife selbst zu machen und die Masse in Form zu bringen. Die sämtlichen selbstgemachten Seifen und Shampoos liegen in einem Regal. Selbst die Beschriftung ist auf kleine Stofffetzen gestickt. Caro beschließt, dass wir ja ein klitzekleines Probiershampoo mitnehmen können. Die Frau ist so nett und gibt uns noch ein kleines Aufbewahrungssäcken mit, in dem sich das Shampoo auch aufschäumen lässt. Es riecht zugegebenermaßen etwas öko, aber gar nicht schlecht. Wir snacken noch schnell ein Pan de Elote, eine Art Maiskuchen und schlendern dann wieder zurück.

Wir haben heute Mittag für Pasta mit Tomatensauce eingekauft und machen uns nun etwas im der Küche breit. Wir kommen mit einem deutschen Pärchen im Kontakt, das heute angekommen ist. Sophia und Luca bereisen für etwa 3 Monate Zentralamerika und sind in Panama gestartet. Die beiden sind super nett und wir beschließen, dass wir uns unbedingt austauschen müssen.

Ausflug zu viert

Wir starten ganz gemütlich in den Tag und genießen mal wieder das köstliche Frühstück und den Kaffee im Garten. Wir verquatschen und mit Sophia, Luca und zwei weiteren Deutschen, Kerstin und Moritz. Mit Sophia und Luca machen wir uns gegen Mittag gemeinsam auf den Weg nach Zinacantan. Das Dorf in das wir eigentlich gestern noch wollten. Das Colectivo ist gerade voll und die anwesenden Männer bringen uns zu einem Taxi. Da es tatsächlich nur 2 Pesos pro Person teurer ist, beschließen wir die Option wahrzunehmen.

Beim Zensus 2010 wurden in Zinacantan 36.489 Menschen gezählt. Fast alle Bewohner:innen sprechen indigene Sprachen, hauptsächlich Tzotzil. Zu dem Zeitpunkt waren gut 42 % der Bevölkerung Analphabet:innen. Viele Menschen leben hier in extremer Armut. Hauptsächlich verdienen die Menschen ihr Einkommen mit der Blumenzucht. Diese wird hauptsächlich von den Männern betrieben, die Frauen kümmern sich eher um das Hüten der Schafe oder um die Herstellung von Stoffen und Kleidung. Letzteres ist übrigens in Zinacantan auch geprägt von bunten Blumenmustern, natürlich in Anlehnung an die Blumenzucht.

Als wir ankommen, steuern wir zunächst die Kirche an. Sophia hat bei der Freewalking Tour in San Cristobal gefragt, ob es auch Kirchen/Tempel/Glaubenshäuser gibt, in denen keine Tieropfer erbracht werden. Daraufhin wurde ihr der Besuch hier empfohlen. Und tatsächlich, hier sieht es ganz anders aus als gestern in Chamula. Es sind nur ein paar Menschen in der Kirche, die tatsächlich auch zum größten Teil noch wie eine Kirche aussieht. Was uns direkt auffällt: Die Blumen. Es gibt mehrere Altäre und Figuren. Vor ihnen hängen große Blumenteppiche. Alle mit frischen Blumen aufwendig zusammengesteckt. Und überhaupt, überall hier sind frische Blumen, richtig schön. Es ist auch wesentlich heller, es gibt Sitzbänke und keine Kiefernadeln auf dem Boden. Die Figuren, die überall an den Seiten stehen, haben meist einen kleinen Spiegel um den Hals hängen. Wir haben zuvor gelesen, dass der Spiegel die Seele des Menschen widerspiegelt und dass, sobald man in den Spiegel schaut, ein Teil der Seele in diesen übergeht. Auch daher ist es hier natürlich auch ausdrücklich verboten, Fotos zu machen. Insgesamt fühlen wir uns hier etwas wohler, wobei der gestrige Besuch noch etwas spannender war.

Nach der Kirche spazieren wir noch etwas durch die kleine Stadt. Wir sehen in ein paar Läden, wie Frauen an großen Webstühlen sitzen und Stoffe herstellen. Wir steuern den Blumenmarkt an. Hier stehen ein paar große Zelte in denen viele bunte Blumen verkauft werden. Berge von Rosen, Nelken, Sonnenblumen und weiteren uns unbekannten bunten Blumen türmen sich auf Bergen.

Wir dürfen sogar ein paar Fotos machen und schlendern ein bisschen umher. Das war es dann aber auch tatsächlich schon mit unserem kleinen Ausflug nach Zinacantan. Mit dem Colectivo geht es für uns zurück nach San Cristobal.

Kunst und Handwerk

Wir beschließen, erstmal eine Kleinigkeit zu essen und landen in einem kleinen vegetarisch/veganen Restaurant, dass für 80 Pesos ein Tagesmenü mit Vorspeise und Hauptgericht anbietet. Alles ist selbstgemacht und der Laden sowie seine Besitzerin sind total niedlich und einladend. Wir bekommen eine Suppe mit einem Mangold-ähnlichen Gemüse, frische Tortillas und als zweiten Gang Empanadas und gefüllte Tortillas mit einer Salatbeilage.

Der Salat sieht zu köstlich aus, aber wir trauen uns dennoch nicht ihn zu probieren. Das ist eigentlich nicht unsere Art, aber San Cristobal eilt sein Ruf voraus: Reisende, die hier waren, werden krank. Von allen Seiten hören wir vorher: Passt auf und trinkt ja kein Leitungswasser aus San Cristobal, seid vorsichtig mit dem Essen und mit Getränken an der Straße. Es ist verrückt, wir hören es wirklich von allen Seiten. Am Anfang denken wir uns noch: Gut, schlimmer als in Varanasi am Ganges wird es wohl nicht werden. Aber dann haben wir schnell Flashbacks von unseren langwidrigen Durchfallerkrankungen – nein danke, darauf haben wir jetzt so gar keine Lust! Also ist wirklich Vorsicht geboten. Wir waschen uns noch öfter die Hände, haben immer Desinfektionszeug dabei, putzen uns nur mit Trinkwasser die Zähne und kaufen auch keine Getränke mit Eis an der Straße. Naja und wir verzichten hier auf die Salatbeilage. Das tut uns im Endeffekt echt Leid, weil die Besitzerin etwas enttäuscht zu sein scheint. Wir versuchen uns noch zu erklären und bedanken und nach dem Bezahlen noch dreimal für das köstliche Essen.

Dann ziehen wir weiter und bummeln ein bisschen. Durch die kleinen süßen Straßen mit den coolen Läden. Es gibt sogar einen Unverpacktladen in dem Sophia getrocknete Hibiskusblüten kauft. Sie duften schon im ganzen Raum als das Glas geöffnet wird. Tatsächlich ist es hier in Mexiko üblich, dass man die Blüten mit warmen Wasser aufgießt und anschließend (meistens gesüßt und gekühlt) trinkt. Das ganze nennt sich dann Jamaica, ein beliebtes Agua fresca. Wir sind ehrlicher Weise ziemlich verblüfft hier einen Unverpacktladen zu sehen, da sind wir glatt wieder bei unserem Vergleich mit Pai in Thailand. Wir schauen in einem kleinen Buchladen nach einem einfachen spanischen Buch für Sophia zum Spanisch lernen. Während sie sich beraten lässt, entdeckt Konsti „El Capital“ von CARLOS MARX, wer kennt ihn nicht..

Belustigt ziehen wir weiter, sind begeistert von den vielen kleinen Innenhöfen und der vielen Kunst. So landen wir in einem Laden, der verschiedenste Kunst von lokalen Künstler:innen anbietet. Gemälde, Fotos, Schmuck, Figuren – hier gibt es so ziemlich alles. Neben einem Verkaufsraum geht es auch noch in den Hinterhof und in ein weiteres Atelier. Wir landen wieder bei den Büchern und kommen so ins Gespräch mit dem Besitzer. Er hat eine Art Fortbildung absolviert, damit er mit den Kinderbüchern, die wir gerade begeistert in den Händen halten, eine Kinderbücherei eröffnen kann. Nach der Fortbildung wurden ihm die Bücher sowie ein kleiner Tisch mit Stühlen zur Verfügung gestellt. Richtig cool. Sophia wird seine erste Kundin, sie darf sich ein Buch ausleihen, total nett! Gemeinsam laufen wir noch einmal zur Kirche hoch, genießen die Aussicht und quatschen einfach ein bisschen. Danach geht es zurück ins Hostel.

Da wir heute nicht einkaufen waren, entscheiden wir uns, einfach schnell in der Stadt etwas Essen zu gehen. Solange wir noch in Mexiko sind, wollen wir unbedingt Tamales probieren. Natürlich finden wir hier in San Cristobal eine vegetarische Variante des Gerichts. Es handelt sich bei Tamales um Maisteig, der mit Fleisch, Käse oder anderen Zutaten gefüllt und dann in einem Bananenblatt gedämpft wird. So haben es angeblich schon die Mayas gemacht. Unsere beiden Versionen sind etwas modernisiert worden. Statt mit Fleisch sind sie mit Käse und Gemüse gefüllt. Die eine Portion wird mit einer Mole und Reis serviert, bei der anderen Variante entscheiden wir uns für Guacamole. Apropos Guacamole: Ohne es jetzt weiter recherchiert zu haben, hatten wir an dem Tag eine kleine Erleuchtung. Luca hat Konsti gerade etwas von Guacamole erzählt und das Wort dabei unabsichtlich Guaca-Mole betont. Und da fiel es den beiden gleichzeitig wie Schuppen vor den Augen. Aguacate ist das spanische Wort für Avocado, Mole meint meistens eine Sauce oder Dip. Und ta da: Aus Aguacate und Mole wird Guacamole.

Gar nicht schlecht, ohne Soße wären die Tamales wahrscheinlich trocken, aber besonders die frische Guacamole ist hervorragend. Die Mole hingegen ist kaum mit unserer ersten Speise vergleichbar. Sie ist wesentlich weniger aromatisch und weniger intensiv. Nicht schlecht, aber einfach sehr anders.

Während wir beim Essen sitzen, können wir es nicht lassen, dem französischen Pärchen noch ein paar Rückfragen zu unserem morgigen Programm zu stellen. Wir haben zwar eine Whatsapp mit Infos erhalten, aber so ganz sicher sind wir uns nicht: Wir sollen Blumen, Tabak und Früchte mitbringen? Da haben wir (typisch deutsch) einige Rückfragen. Aber was es genau damit auf sich hat, verraten wir euch morgen.

Jetzt schlendern wir erst einmal zurück ins Hostel, um morgen auch fit zu sein. Unterwegs sehen wir noch einen Verkäufer von Armbändern auf der Straße sitzen, der eine mega Salesstrategie hat: Man kann eine Partie Schach gegen ihn spielen. Wenn man gewinnt, schenkt er einem das Armband, das man möchte, wenn man verliert, muss man es eben wie üblich kaufen.

Und was wir hier auch zum ersten Mal so richtig wahrnehmen und was uns später noch häufiger im südlicheren Mexiko begegnen wird: Es gibt überall so kleine Spielautomaten. Die sind zwar nicht mehr ganz sooo modern, wie die, die wir in Japan und Südkorea gesehen haben, aber die Leute erfreuen sich trotzdem daran.

Temazcal – die wohl spirituellste Erfahrung unserer Reise

Eins vorweg. Es war nicht erlaubt Fotos zu machen. Zu gerne hätten wir euch Einblicke in diese Erfahrung gegeben, weil es doch so schwer in Worte zu fassen ist. In diesem Fall müsst ihr euch aber, bis auf zwei Fotos, ein bisschen auf unsere Beschreibungen einlassen, aber zur Abwechslung ist es ja doch ganz schön mal ein bisschen die Fantasie schweifen zu lassen, oder?

Nach einem ausgiebigen Frühstück machen wir uns am späten Vormittag auf den Weg in die Stadt. Unterwegs wollen wir noch etwas Obst und Blumen besorgen. Catalina, die wir in Guadalajara kennenglernt haben, hat uns netterweise verraten, dass wir das Obst nicht schneiden müssen, sonst hätten wir wahrscheinlich wie Sabine (Tupper-Party-Gängerin, 48 Jahre und stolze Mama von zwei Jungs) mit unserer Tupperdose und mundgerecht geschnittenen Obst-Stückchen parat gestanden. Aber genau wie Sabine das wahrscheinlich auch gemacht hätte, verzichten wir auf den Erwerb von Tabak (Was soll überhaupt damit gemeint sein? Kippen?) und entscheiden uns stattdessen für ein buntes Blumensträußchen. Ansonsten haben wir nur Wasser und ein Handtuch dabei.

Das Temazcal findet etwas außerhalb der Stadt statt, wir gehen zu Fuß ca. 40 Minuten und landen.. ja.. eigentlich im Nirgendwo. An einer Straße mit Zaun entdecken wir ein kleines handgemaltes Schild „Temazcalli“ (Samstags, 11 Uhr), dahinter gibt’s ein kleines Schlupfloch im Zaun.

Während Konsti noch überlegt, ob es vielleicht nur der Parkplatz ist, klettert Caro durch das Loch und wird von drei Hunden begrüßt. Das ist doch erstmal nett. Wir folgen den Hunden entlang eines kleinen Trampelpfads und entdecken einen Mann, der gerade mit einem Feuer beschäftigt ist. Und was gibt es sonst noch zu sehen?

Nicht viel ehrlich gesagt. Das Gelände ist leicht abschüssig, in der Mitte ist allerdings ein etwas breiterer Streifen, der begradigt ist. Unten ist ein Fluss. Auf der begradigten Fläche steht eine kleine Hütte, wir sehen zwei Feuerstellen und eine Art Ast-Gerüst, das die Form eines Iglus oder einer Halbkugel hat. Ist das etwas das Temazcal?

Wir haben wirklich so gar keine Ahnung, was hier heute passieren wird. Zunächst einmal werden wir nett begrüßt. Der Mann kann Englisch und irgendwie ist die Kommunikation wesentlich einfacher als auf Spanisch. Er erklärt uns, dass er gerade dabei ist das „Mutter-Feuer“ zu entzünden. Er zeigt uns, dass wir die Früchte zur Hütte bringen können. Die Blumen können wir bei der Schildkröte drapieren. Der Schildkröte? Natürlich keine echte. Aber es gibt einen Lehmhaufen, der die Form einer Schildkröte hat. Sie steht für die Mutter Erde und aus Respekt und Dankbarkeit können wir die Blüten um diese Schildkröte drapieren. Okay. Wird gemacht. Wir sind froh, dass wir eine Aufgabe haben und nicht blöd in der Gegend herumstehen. Dann wären da noch die Hunde. Im speziellen der Hund, der permanent, oder sollen wir sagen unaufhörlich, einen Stock geworfen bekommen möchte. Brav und erwartungsvoll legt er dafür das angesabberte Stöckchen vor unsere Füße und schaut uns mit großen Augen an. Falls darauf keine direkte Reaktion folgt, wiederholt er das Ablegen noch einmal, ein kleines bisschen näher vor die Füße. Falls darauf immer noch keine Reaktion folgt, macht er mit Geräuschen auf sich aufmerksam. Erst leise, dann immer lauter und fordernder. Und wenn dann endlich der Wurf erfolgt, springt er ganz aufgeregt hinterher und kommt erst zurück, wenn er erfolgreich war. Wenn Konsti dann etwas zu lange mit dem Wurf wartet, lässt sich die Begeisterung in Form von sabbern nicht aufhalten. Obwohl er ein wilder Mischling zu sein scheint, legt er definitiv ein Border Collie Verhalten an den Tag. Besonders an Konsti frisst der Hund einen Narren, scheinbar ist er derjenige, der das längste Durchhaltevermögen an den Tag legt. Zurück zum Temazcal.

Vorbereitung ist das A und O

Es kommt bald ein Paar mit zwei Kindern, einem Kleinkind und einem Baby. Wir werden herzlich begrüßt, die beiden scheinen das Ganze hier hauptsächlich zu organisieren. Die Frau erzählt, dass sie diejenige war, mit der wir zuvor über Whatsapp Kontakt hatten. Wir unterhalten uns ein bisschen und bekommen dann die nächste Aufgabe: Wir dürfen Steine legen. Die Erklärung ist etwas komplizierter. Der Größe nach sollen wir sie aufreihen, von der zweiten Feuerstelle in Richtung des Iglo-Gestells. Der Witz daran, später werden sowieso alle Steine nochmal neu aufs Feuer gelegt, aber gut, wir hinterfragen es nicht. Danach folgt ein erster Teil der Zeremonie-Vorbereitungen. Neben der Lehmschildkröte werden zwei Teile eines Geweihs sowie ein paar Schalen drapiert. Mit den beiden Männern stellen wir uns nun um die andere Feuerstelle und bauen auf viel Feuerholz einen Turm aus den Steinen. Danach nehmen die Männer jeweils zwei Steine und wir jeweils einen Stein. Sie erklären uns, dass wir uns nun bedanken. Sieben Mal. Bei jeder Himmelsrichtung, der Erde, dem Himmel und einmal bei unserem Herzen. Wir halten die Steine in die jeweiligen Richtungen und die Männer sagen immer etwas. Am Ende sollen wir auch etwas sagen. Ähm, was denn? Wir sagen, dass wir dankbar sind, heute dabei sein zu dürfen. Kurz und knackig, bei den beiden anderen fällt es etwas umfangreicher aus, aber so richtig verstehen wir es auch akustisch nicht. Danach streuen wir jeder noch etwas Tabak über die Feuerstelle. Ah ok, mit ner Packung Zigaretten hätten wir dumm dar gestanden. Gut, dass wir keinen Tabak besorgt haben denken wir uns leicht schmunzelnd. Dann wird das zweite Feuer mit der Glut des ersten Feuers entzündet. Danach erklärt uns einer der Männer, der Javi heißt, ein bisschen was zu der ganzen Zeremonie. Es ist schwer in Worte zu fassen. Er sagt, dass wir uns während der Zeremonie tief verbunden mit der Mutter Erde fühlen werden. Dass es spirituell aber nicht „betend religiös“ ist und dass die Ursprünge dieses Temazcal weit in der Vergangenheit liegen. Es soll eine ganz besondere Erfahrung werden, bei der wir ganz tief im Inneren viel wahrnehmen und spüren werden. Dass es etwas mit uns machen wird. Wir sind wirklich gespannt, befinden uns aber gedanklich noch etwas zwischen 1. Was auch immer es genau bedeutet, wir wollen versuchen, uns offen und unvoreingenommen darauf einzulassen und 2. Wovon redet der Mann und was machen wir eigentlich hier? Wir werden sehen.

Auf jeden Fall sind alle super nett und es ist in jedem Fall super interessant, dass wir eine solche Erfahrung hier machen können. Danach ist erstmal Warten angesagt, wir sollen viel trinken. Gut, dass Javi Wasser mitgebracht hat, wir haben nur zwei Flaschen dabei und es ist wieder so warm, dass diese schnell leer sind. Wir setzen uns etwas in den Schatten und quatschen mit Javi, der uns erzählt, dass seine Frau das 5 Monate alte Baby alleine zur Welt gebracht hat. Ganz alleine oben in ihrer Wohnung. Verrückt. Irgendwann kommt ein weiterer Mann mit einer Frau in unserem Alter. Sie kommt aus den USA und es ist auch das erste Mal, dass sie ein Temazcal ausprobiert. Gemeinsam mit den anderen geht es nun wieder etwas in die Arbeit. Mit zahlreichen Decken verkleiden wir nun das Iglo Gestell. Wir bekommen erklärt, dass kein Lichtstrahl hineinfallen darf. Es gibt sogar eine genaue Reihenfolge der Decken-Schichtung. Währenddessen dürfen wir nun auch nicht mehr in das Iglu hineingehen, das dürfen wir erst wieder bei der Zeremonie.

Danach ist wieder warten angesagt. Und während wir immer weiter warten und warten, kommen immer mehr Leute. Wir geben wirklich immer stets unser bestes Menschen nicht in Schubladen zu stecken. Für eine möglichst realistische Berichterstattung ohne Fotos sehen wir uns aber in der Verantwortung ein paar Adjektive in den Raum zu schmeißen:

  • offen, nett und sympathisch
  • etwas alternativ, hippiehaft und verrückt
  • von jung bis alt
  • multi-kulti
  • esoterisch-angehaucht
  • irgendwas zwischen Goa, Pai und Berlin Prenzlauer Berg

Bildet euch damit bitte selbst euer Bild. Viele der Anwesenden kannten sich auf jeden Fall bereits, umarmten sich lang und herzlich und begrüßten aber auch uns sehr offen und mit einem Lächeln. Unter ihnen identifizieren wir auch ein paar Expats, die anscheinend hier gestrandet sind. Wir kommen ein bisschen ins Gespräch, ein Mexikaner, der lustigerweise heute Geburtstag hat, spricht sogar ein bisschen Deutsch. Warum? Weil er sich für deutsche Literatur interessiert und sie in Originalsprache lesen und verstehen möchte. Ähm ja, ok. Eine ältere Dame, die augenscheinlich etwas in der Hippiezeit hängen geblieben ist, erzählt, dass sie heute Vormittag ein Portmonee bei sich im Garten gefunden hat. Hm, das hat dann wohl jemand nach einem Raub über ihren Zaun geworfen. Ein paar haben weitere Kinder dabei, andere noch mehr Hunde. Es kommen immer mehr Menschen und so langsam fragen wir uns, wie all diese Menschen in das Temazcal passen sollen. Auf einem kleinen Regalbrett breiten die Leute lauter Produkte zum Verkauf aus. Notizbücher, Tücher, riesige Kakao-Früchte, Honig und selbstgemachte Trüffel. Mittlerweile haben wir eigentlich schon wieder Hunger, aber irgendwie wollen wir jetzt auch nicht mehr richtig etwas essen. Ein paar der anwesenden Männer ziehen sich um und schmeißen sich in Badehosen. Wir haben keine Wechselklamotten dabei. Nur ein Handtuch, das war wahrscheinlich nicht so clever. Ein paar der Männer tragen Eimer mit Wasser vom Fluss nach oben und befüllen eine große Wassertonne. Ein paar Kräuterbündel (Caro meint, Kamille zu erkennen) werden in Wasser eingeweicht. Es wird noch das Geld eingetrieben, wir bezahlen 15 Euro pro Person und dann scheint es wirklich loszugehen.

Heiß, heißer, Temazcalli

Nicht alle Anwesenden nehmen an der Zeremonie teil. Die Kinder und ein paar Erwachsende stellen sich nicht mit in den Kreis um das Feuer. Alle anderen stehen nun um das Feuer. Es wird eine Art Mundspray herumgereicht. Die Teilnehmenden, die zum ersten Mal dabei sind, sollen nur einmal sprayen wird betont. Was soll das sein? Während Caro noch drüber nachdenkt, ob das jetzt eine clevere Idee ist, hat Konsti sich schon seinen Schuss gesetzt. Der Mann neben uns erklärt, dass es für eine freiere Atmung ist und irgendwie so etwas ähnliches wie Ingwer sein soll. Das Zeug brennt ganz schön und ehrlich gestanden fühlt es sich eher so an, als hätte der Zahnarzt uns gerade eine Betäubung in den Mund gejagt. Nochmal schauen wir uns zu dritt an, Ana, die US-Amerikanerin steht neben uns. Was genau machen wir hier nochmal? Dann dürfen wir uns alle etwas Tabak in die Hand nehmen. Eine Frau mit einem Räuchergefäß geht von Person zu Person. Wir müssen unsere Hände ausstrecken, wir werden einmal eingeräuchert und müssen den Rauch am Ende zu unseren Herzen fächern. Währenddessen sprechen Javi und seine Frau eine Einleitung. Thematisch sollen wir heute besonders an unsere Großeltern denken. Javis Frau spricht aktuelle Themen an, die die Menschen hier bewegen. Wie wichtig Zusammenhalt ist, gegenseitige Unterstützung bei schwierigen Arbeitsbedingungen und viel Armut. Die Wichtigkeit der Natur, der Umwelt, der Liebe und der Familie. Dann sollen wir den Tabak ins Feuer streuen und nach und nach in das Iglu krabbeln. Bevor wir hineinkrabbeln müssen wir uns verbeugen, uns bei der Mutter Erde bedanken und einen Moment innehalten. Konsti bringt noch sein T-Shirt und Caros BH in Sicherheit. Durch einen blöden Zufall ist er so weiter vorne in der Reihe und wir werden nicht nebeneinander im Temazcal sein. Caro ist umso glücklicher, dass Ana dafür noch neben ihr ist. Der eigentliche Plan, möglichst nah am Eingang zu sitzen, geht nicht auf. Wir sitzen maximal weit weg. Eingequetscht zwischen knapp 30 Menschen in einem Iglu, dass an seinem höchsten Punkt vielleicht 1,30 m hoch ist. Im Sitzen berühren unsere Köpfe die Decke. Viele fremde Menschen auf engem Raum bei hohen Temperaturen? Wie war das nochmal mit „Reisen und an seine Grenzen und aus der Komfortzone heraus kommen“? Wir kommen hier an unsere Grenzen und das eigentlich schon, bevor es überhaupt richtig los geht. Wir schwitzen jetzt schon. Im Kopf schweben jetzt ehrlicher Weise weniger Gedanken um unsere Großeltern sondern mehr den vorhandenen Sauerstoffgehalt und die maximale Dauer des Aufenthalts in diesem engen Raum durch den Kopf. Sowie: Fluchtwege und eine maximale Temperatur, die hier entstehen könnte. Wie lange sollte man nochmal in einer Sauna verbringen? 10-15 Minuten? Dann folgt nochmal eine Einleitung über das Prozedere. Dinge, die wir nicht hören möchten: Es wird komplett abgedunkelt. Es wird darum gebeten, die komplette Zeremonie durchzuhalten ohne das Temazcal zu verlassen. Auf keinen Fall soll man bei zu großem Hitzeempfinden aufstehen, da es oben besonders heiß ist. Wir sollen nicht andere Leute anatmen, weil es unfassbar heiß ist. Im Falle von Unwohlsein sollen wir mit dem Gesicht zum Boden atmen oder uns hinlegen. Hinlegen? Wir sitzen ja quasi schon wie die Hühner auf der Stange, wobei die Hühner nach oben und unten auf der Stange noch mehr Luft hätten. Das kann ja etwas werden.

Dann geht es los. Die glühend heißen Steine (sie glühen wirklich) werden mit einer Mistgabel nach drinnen gereicht, wo sie mit den beiden Geweihen entgegen genommen und in die Mitte gelegt werden. Dann nimmt die Frau von Javi „medicos“ und streicht diese vorsichtig auf die Steine. Wir spekulieren, dass es sich dabei wahrscheinlich um ätherische Öle oder ähnliches handelt. Es fühlt sich tatsächlich jetzt schon an wie ein Saunaaufguss. Dabei wurde noch nicht einmal Wasser auf die Steine gegeben. Währenddessen läuft uns der Schweiß die Stirn herunter. Dann werden ein paar tiefer gehende Gedanken zum Oberthema Großeltern geäußert und es geht los. Ein Eimer Wasser wird noch herein gereicht, dann wird die Tür verschlossen. Es ist jetzt stockdunkel und damit meinen wir stockdunkel, kein einziger Lichtfleck irgendwo. Es wird angefangen, zu singen und zu trommeln. Alle singen mit und auch wir stimmen irgendwie mit ein, sei es um die Stimmung aufzufangen und sich einzubringen oder um sich einfach abzulenken in der Hoffnung, dass die Zeit so schneller herumgeht. Es wird Wasser auf die Steine gegeben. Wow, das ist echt krass. Die Hitze verteilt sich schlagartig im Raum. Es folgt immer mehr Wasser und immer mehr Wasserdampf. Und damit immer mehr Hitze und noch mehr Schweiß. Wir senken unsere Köpfe soweit es im Sitzen geht. Der Schweiß tropft auf den lehmigen Boden. Dieser weicht immer mehr auf. Es fühlt sich schon sehr intensiv an. Vor allem durch die Gesänge und diese Gruppendynamik. Wir können im Nachhinein kaum einschätzen, wie lange es insgesamt so geht. Eine gefühlte Ewigkeit. Egal ob die Augen geschlossen oder geöffnet sind, wir sehen rein gar nichts. Nicht mal einen kleinen Lichtschein, der den „Notausgang“ beleuchten würde. Dann verstummt die Musik irgendwann und die Tür wird geöffnet. Jetzt könnte man meinen, dass sich augenblicklich frische Luft in unseren Lungen sammelt, so fühlt es sich aber nicht an. Es tut trotzdem wahnsinnig gut, etwas Licht zu sehen. Wir werfen uns endlich Blicke zu. Allen dreien scheint es gut zu gehen. Puh, das war extrem. Im Gegensatz zu Caro hat Konsti bei der Einleitung mitgeschnitten, dass wir das ganze insgesamt vier Mal machen. Währenddessen sitzen wir weiter im Iglu und versuchen so viel Frischluft einzuatmen wie es geht. Ehrlicherweise können wir uns zu dem Zeitpunkt nicht vorstellen, das noch DREI weitere Male zu machen. Im Gegensatz zu einem normalen Saunagang fehlt hier definitiv die kalte Dusche und die anschließende Ruhephase. Und überhaupt, kann das eigentlich gesund für den Körper sein, was wir hier machen? Während unsere Gedanken darum kreisen, fangen die anderen an, in der Runde zu sprechen. Jeder, der etwas auf dem Herzen hat und sich äußern möchte, kann dies tun, ein bisschen wie das, was wir so von einer Selbsthilfegruppe als Klischee im Kopf haben. Das motiviert ein paar Leute genau dies zu tun. Wir verstehen natürlich nicht alles, aber es geht um Familienangehörige, denen es schlecht geht, um Angehörige, die sie vermissen oder die großen Schmerzen und Krankheiten ausgesetzt sind. Die Großeltern werden ebenfalls nochmal thematisiert und angesprochen. Während Konsti sich einen Notfallplan zurechtlegt, was er sagen würde, wenn er direkt angesprochen wird, versucht Caro die Akkus wieder voll zu bekommen und eine angenehme Sitzposition zu finden.

Dann geht es wieder von vorne los, neue Steine, neue Ansprachen und die Tür wird geschlossen. Caro merkt, wie sich Ana neben ihr hinlegt und auch Konsti versucht es dieses Mal in der Liegeposition. Es ist wieder unfassbar heiß. Man muss wirklich aufpassen, dass man sich nicht selbst anatmet, das gleicht dann wiederum einem Sahara Sandsturm. Der Boden weicht immer mehr auf. Neben Schweiß wird nun auch das Wasser in der Luft herum gewirbelt. Ein paar der Leute liegen jetzt auf dem Boden oder besser gesagt im aufgeweichten Lehm. Trotzdem wird weiter gesungen. Nach dem zweiten, gefühlt etwas kürzeren Durchgang haben wir Glück, es werden zwei Seiten des Zeltes geöffnet und wir haben etwas Durchzug. Wir sind hochrot und klitschnass. Und matschig. Es werden wieder Monologe geführt, die anderen hören zu und manche weinen sogar gemeinsam mit der Person. Es scheint wirklich alles sehr emotional und intim zu sein. Wir verstehen wieder nur einen Teil und konzentrieren uns nebenbei aufs Durchatmen.

Die dritte und vor allen Dingen aber die vierte Session wird nochmal wahnsinnig lange und super heiß. Die letzte Ladung Steine war gefühlt die Größte. Es werden mehrere Lieder von verschiedenen Sängerinnen angestimmt, es dauert also wirklich lange. Dann dürfen wir raus. Einzeln und natürlich nochmal mit dankendem Zwischenstopp beim Herauskriechen. Wir schauen uns ungläubig in unsere mit Lehm verschmierten Gesichter. Ab ins Wasser. Wir machen es den anderen nach und laufen herunter zum Fluss. Etwas holprig und leicht beschwindelt gehen wir ins kalte Nass. Komplett mit unseren Klamotten. Also Konsti hat im Grunde genommen ja einfach nur seine Badehose an, Caro aber T-Shirt und ihre normale kurze Hose. Diese ist nun nicht mehr schwarz sondern eher braun. Das weiße T-Shirt war auch nicht die cleverste Idee. Wir versuchen uns so gut es geht etwas sauber zu machen. Komischerweise wird uns dann auch etwas frisch und wir gehen hoch zum kleinen Häuschen, wo wir uns zumindest mit dem Handtuch etwas trocknen können. Die meisten anderen haben Wechselkleidung dabei. Dann wird das frische Obst geschnitten und verteilt. Das ist bitter nötig, wir haben richtig Hunger. Beim Blick auf die Uhr wissen wir auch wieso. Es ist fast 18 Uhr. Wahnsinn, dann waren wir so ungefähr drei Stunden, abzüglich der Vorbereitung und dem Baden danach in diesem Zelt? Wir sind ziemlich durch. Uns fehlen auch irgendwie etwas die Worte für das alles. Wir bekommen mit, wie sich eine Frau und ein Mann nebeneinander setzen, umarmen und sich erzählen, wie schön sie es fanden. Alles wirkt sehr vertraut. Genau so lange, bis der Mann die Frau fragt, wie sie eigentlich heißt. Okay, das hier alles ist wirklich ein bisschen next level für uns.

Die Leute bieten nochmal ihre Mitbringsel zum Verkauf an. Wir schlagen zu. Beim Cannabis-Kombucha und den selbstgemachten Trüffeln sagen wir nicht nein. Ja, eine etwas wilde Mischung, aber wann kann man das schonmal testen. Es schmeckt gar nicht schlecht. Danach machen wir uns aber wirklich auf den Heimweg. Wir sind kaputt, haben Durst und Hunger und eigentlich wollten wir nochmal mit Sophia und Luca etwas zu Abend essen. Doch vorab müssen wir uns natürlich bei den netten Leuten hier verabschieden. Sie fragen nochmal ganz interessiert nach, wie die Erfahrung war und wie wir es empfunden haben. Wir versuchen ein paar passende Worte zu finden und bedanken uns mit einer langen Umarmung bei allen. Sie bedanken sich wiederum, dass wir da waren und so toll mitgemacht haben. Naja „ausgehalten“ trifft es vielleicht ein bisschen mehr. Aber wir sind wirklich sehr sehr dankbar für diese Erfahrung, diese netten Menschen und einen kleinen Ausflug in eine etwas andere Welt von Mexiko. Wir haben übrigens keine Ahnung, wie traditionell dieses Temazcal wirklich war und ob das nicht vielleicht eine etwas spirituellere Variante gewesen ist. Wir hören von anderen auch von weniger spirituellen Temazcallis in irgendwelchen Lehmhütten. In einem kleinen Bergdorf weiter in Richtung Pazifikküste wird das Temazcal auch gerne mit einem kleinen Pilztrip kombiniert – wild.

Ausklang in San Cristobal

Erstmal ist duschen angesagt. Eine der besten Duschen seit langem. Es ist schon relativ spät. Sophia und Luca sind schon unterwegs. Eigentlich wollten wir uns für die Fahrt noch mit Snacks eindecken, wir müssen unbedingt noch Bargeld abheben und uns bei Ana im Hostel das Geld abholen, welches wir ihr eben geliehen haben. Nach einer kurzen Trinkpause nach der Dusche machen wir uns auf den Weg. Bargeld einsammeln, Bargeld abheben und dann beschließen wir, dass wir heute keine Lust mehr haben, lange in der Küche zu stehen. Wir steuern nochmal den Tamales Laden von gestern an, holen uns unterwegs beim Bäcker noch ein Baguette und ein paar weitere Backwaren für den Trip morgen und gehen dann zurück ins Hostel. Jetzt noch Sachen packen. Ein bisschen Ablenkung haben wir auch noch, wir setzen uns noch einmal kurz mit Sophia und Luca zusammen und berichten uns gegenseitig von unserem Tag, bevor wir uns dann verabschieden müssen und auf den Weg ins Bett machen. Morgen müssen wir in aller Herrgottsfrühe aufstehen.

San Cristobal hat uns wirklich überrascht. Obwohl der Halt hier bei weitem kein Geheimtipp ist, hatten wir ein paar wirklich überraschende Erfahrung und einen ganz anderen Einblick in die Traditionen von Mexiko. Vor allem in dieser wunderschönen Unterkunft haben wir uns wirklich ab Tag 1 direkt wohl gefühlt und die Umgebung sowie das Frühstück richtig gefeiert. San Cristobal wird uns wirklich in richtig schöner Erinnerung bleiben.

Beitrags-Navigation

Ohlala Oaxaca
Auf den Spuren der Maya in Palenque und Vallodolid

Share your thoughts Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kontakt

Impressum

Datenschutzerklärung

  • Elara by LyraThemes