Unsere erste Nachtfahrt verläuft soweit ganz gut. Die Sitze sind bequem, wir können Harry Potter auf Spanisch schauen und kommen morgens gegen 7 Uhr in Mexiko Stadt an. Wir haben noch jede Menge Zeit, eigentlich können wir erst um 16 Uhr in das gebuchte Airbnb einchecken. Daher machen wir es uns am Busbahnhof bequem, trinken einen Kaffee, machen uns im Bad etwas frisch und nutzen die Zeit zum Beantworten von WhatsApp Nachrichten. Wir schmieden den Plan, in die Stadt zu fahren, frühstücken zu gehen und dann ins anthropologische Museum zu gehen. Dort können wir hoffentlich unser Gepäck sicher und günstig zwischenlagern. Laut Google Maps können wir wieder mit der Metro in die Stadt fahren. Nachdem wir allerdings 10 Minuten orientierungslos herum laufen und zuletzt jemand fragen, müssen wir feststellen, dass es diese Metrostation schlichtweg noch nicht gibt. Das erklärt die riesige Baustelle vor dem Busbahnhof. Wir sollen einfach mit dem grünen Bus für 5 Pesos in die Stadt fahren erklärt uns der Mann. Wir folgen dem Weg und landen (ohne zu zahlen) in einer endlos erscheinenden Schlange an einer Bushaltestelle. Es gibt zwei Schlangen, die sich zwischen Absperrungen schlängeln. Bei der einen Schlange kommt ein Bus nach dem nächsten, bei uns passiert erstmal 15 Minuten gar nichts. Außer, dass sich eine zweite Schlange bildet und die Stimmung etwas hitziger wird. Nochmal 10 Minuten später kommt dann ein Bus. Im Leben kommen wir da nicht mehr rein denken wir uns. Der Bus wird allerdings immer voller und wir rücken immer weiter nach vorne. Wir stehen fast ganz vorne, da löst sich die Schlange und ein paar Leute quetschen sich noch in den Sardinen-Bus. Mit unseren Rucksäcken unvorstellbar, das wird nichts. Auf den nächsten Bus müssen wir tatsächlich gar nicht so lange warten und unsere Geduld zahlt sich aus. Wir bekommen zwei Sitzplätze. Der Bus ist wieder proppevoll. Wie wir hier wohl rauskommen? Wir müssen uns richtig rausquetschen. Glücklicherweise sitzen wir relativ nahe der Tür. Puh, das war aufregender als gedacht. Andere Touris haben wir bis dato übrigens nicht gesichtet. Das ändert sich aber, als wir durch die Stadt laufen. Hier ist das Publikum wieder bunt gemischt und wir sind uns auch sicher, dass hier viele Expats unterwegs sind. Es ist ganz ungewohnt, in einer so riesigen Stadt unterwegs zu sein. Aber schon auf den ersten Blick ist es hier viel sauberer und grüner als wir es uns vorgestellt haben.
Frühstückskombi mit Planänderung
Wir haben uns ein Café herausgesucht, welches die typische Frühstückskombi anbietet: Kaffee, Saft oder Früchte, ein Hauptgericht und dieses Mal sogar noch ein süßes Teilchen. Wir entscheiden uns für Chilaquiles und ein vegetarisches Omelett.

Danach sind wir mehr als gesättigt und erhalten, genau zum richtigen Zeitpunkt eine überraschende Nachricht – wir können schon jetzt einchecken! Mega! Damit hatten wir nicht gerechnet.
Wir fahren ein Stück mit dem Bus und haben erneut Glück. Wir haben weder eine Busfahrkarte zum Aufladen noch funktioniert unsere Kreditkarte zum Bezahlen. Wir dürfen trotzdem mitfahren. Das Airbnb ist ein Traum. Es ist gut bewacht, geräumig, wir haben ein Zimmer mit Tageslicht, eine Küche mit allem, was man braucht, ein Badezimmer (welch Überraschung) und eine Waschmaschine. Letztere wird direkt in Betrieb genommen. Danach wird die Dusche eingeweiht und wir fühlen uns wie neu geboren. Während Konsti die Zeit nutzt und mit Ali telefoniert, schläft Caro eine Runde auf der Couch. Ein Träumchen.
Was jetzt noch fehlt? Natürlich unsere Gesellschaft. Das Airbnb ist nämlich für 4 Personen und wir freuen uns wahnsinnig, dass Felix und Caitlin uns für die kommenden 5 Tage besuchen kommen. Felix und Konsti haben gemeinsam in Marburg studiert. Felix und seine Frau Caitlin (die beiden haben sich übrigens vor einer gefühlten Ewigkeit im Auslandssemester in der Türkei kennengelernt, Caitlin kommt ursprünglich aus den USA) leben jetzt in Richmond, Virginia. Kleiner Sidefact, die beiden haben sogar schon eine Zeit gemeinsam in Äthiopien gelebt, wo Konsti sie auch schonmal besucht hat. Die restliche Zeit bis sie kommen, nutzen wir, um einkaufen zu gehen und schon einmal unsere Umgebung und die lokalen Märkte auszuchecken. Schließlich können kaltes Bier und ein paar Snacks nicht verkehrt sein, wenn die beiden nach ihrem Reisetag ankommen.




Wiedersehen!
Wie schön, dass wir uns hier treffen. Die Wiedersehensfreude ist groß und wir freuen uns sehr auf die gemeinsamen Tage mit den beiden. Wir machen es uns im Airbnb gemütlich, trinken ein paar Bier und snacken Nachos mit Guacamole und Salsa. Es gibt viel zu erzählen und die Zeit vergeht wie im Flug. Als sich das Bier dem Ende nähert, beschließen wir, noch etwas vor die Tür zu gehen und einen Absacker in der Nachbarschaft zu trinken. In einer kleinen Kneipe kommen wir in den Genuss vom XL Bierflaschen und Caitlin testet einen XL Michelada. Irgendwann schaffen wir aber dann doch den Absprung und fallen alle hundemüde ins Bett.

Anthropologie auf mexikanisch
Nach einem Spaziergang in die Stadt und einem ausgiebigen Frühstück steuern wir das riesige Anthropologie-Museum an.


Auf einem Platz vor dem Museum erleben wir unerwartet die Voladores de Papantla, den Tanz der fliegenden Männer. Das müssen wir natürlich erstmal googlen, es folgt ein kleiner Exkurs: Seit über 1.000 Jahren praktizieren die fliegenden Männer von Papantla ihre artistische Tradition zu Ehren der Götter der Fruchtbarkeit. Die Zeremonie wurde von verschiedenen indigenen Volksgruppen in Mexiko veranstaltet, insbesondere jedoch im Stammland der Totonaken und Huasteken, in der Region von Papantla im Bundesstaat Veracruz. Was wir mit steifen Nacken und offenen Mündern beobachten: Vier traditionell gekleidete Männer besteigen einen ca. 30 m (!) hohen Pfahl zu einer minikleinen quadratischen Plattform. Unterhalb dieser kleinen, drehbaren Plattform sind vier Seile angebracht, welche die vier Volandores sich um die Hüften binden. Einer der Männer musiziert auf einer Flöte und trommelt gleichzeitig im Rhythmus. Dann lassen die Männer sich kopfüber fallen. Durch die Drehungen wickeln sich die Taue vom Pfosten ab und die Akrobaten schweben in immer grösser werdenden Bahnen im Kreis, bis sich das Seil abgewickelt hat. Kurz vor dem Auftreffen am Boden wenden sie sich, um auf den Füssen zu landen. Währenddessen spielt einer der Männer immer weiter Flöte und trommelt. Verrückt. Wirklich verrückt. Jeder Tänzer vollführt dabei 13 Umdrehungen, die vier zusammen also 52 Kreise, was dem Kalenderzyklus der damaligen Epoche entspricht. Der Flötenspieler symbolisiert wahrscheinlich die Sonne, die vier Flieger die wichtigsten Elemente Erde, Luft, Wasser und Feuer.

In den folgenden Stunden widmen wir uns der Entstehungsgeschichte der Menschheit und der Geschichte der Menschen in Mexiko und die ist echt spannend. Wir lernen viel über die Menschen, die von Asien rüber auf den amerikanischen Kontinent gekommen sind und sich hier verteilt haben, über Azteken (die ihren eigenen Staat übrigens Mexica genannt haben) und Maya. Das Museum ist wahnsinnig umfangreich, wir kämpfen uns von Raum zu Raum. Thematisch ist alles sehr gut aufgeteilt und aufbereitet. Glücklicherweise sind nicht alle Informationen auf Englisch übersetzt. Andernfalls bräuchten wir wahrscheinlich Tage, um alle Beschilderungen zu lesen und vor allen Dingen aufzunehmen. Irgendwann merken wir dann doch den gestrigen Abend und damit verbunden die schwindende Aufmerksamkeitsspanne. Caitlin hält am längsten durch, aber am Ende sind wir tatsächlich richtig kaputt und müde, als wir das Museum verlassen. Ein paar Eindrücke bekommt ihr noch.


Hippes Roma Norte
Hipp beschreibt das moderne Stadtviertel Roma Norte durchaus gut. Obwohl es auf Google Maps nicht weit entfernt aussieht, bräuchten wir zu Fuß eine Dreiviertelstunde. Ohne Kaffee? Keine Chance. Wir fahren mit einem Uber, das im Stadtverkehr immer noch fast eine halbe Stunde benötigt. Wir gönnen uns einen köstlichen Kaffee in einem süßen Café in der Straße und sind einfach nur froh, mal einen Moment entspannt zu sitzen und Menschen zu beobachten. Danach spazieren wir entspannt durch das moderne Viertel, laufen durch ein paar Parks und schnuppern in ein paar Buchläden. Davon gibt es hier erstaunlich viele und alle sind wahnsinnig schön und einladend. Heute Abend haben wir noch ein Date. Wir treffen Tim und seine Freundin Rachel, Freunde von Felix und Caitlin, die aktuell noch hier in Mexiko Stadt leben. Wir treffen uns in einer coolen Bar, essen zu Abend und gönnen uns das ein oder andere Getränk.


Es ist ein richtig schöner Abend und die beiden haben jede Menge lustige Geschichten zu erzählen. Außerdem greifen wir noch ein paar Tipps für die nächsten Tage ab. Wir wechseln noch einmal die Bar und schlendern dann gemütlich nach Hause. Eine (wie wir finden) lustige Sache, der uns vorher gar nicht mal so bewusst war: Deutsche laufen gerne zu Fuß. Ob nach Hause, spazieren oder um von A nach B zu kommen. Wir erfüllen also mal wieder das ein oder andere Klischee. In den USA würde man, laut den Erzählungen der anderen, gar nicht auf die Idee kommen ohne Auto von A nach B zu kommen. Schließlich gibt es nicht mal richtige Bürgersteige oder Wege für Fußgänger:innen – klar, hier steckt auch ein bisschen Klischee-Humor dahinter.
Kunst und so weiter
Den zweiten Tag starten wir mit einem ausgiebigen Frühstück, na klar, Chilaquiles und ein Ei mit Kaktus, bevor es dann mit ein bisschen Kunst und dem Besuch des Palacio de Bellas Artes weitergeht.


Dort sind verschiedene Kunst- und Fotografie-Ausstellungen anzuschauen. Alleine das Gebäude ist schon einen Besuch wert, von außen ist es sehr schön und manche möchten gar das Wort „pompös“ in den Mund nehmen.


Wir beginnen mit der Ausstellung „Pico y elote“ von Damian Ortega. Sie besteht aus Installationen, Skulpturen, Fotografien, Filmen und Textilien, die ab den 1990er Jahren entstanden sind. Mit ihnen wirft er einen ironischen Blick auf die Bedingungen von Produktion und Konsum, an denen wir teilhaben. Auf der zweiten Etage befindet sich eine Foto-Galerie des Künstlers Flor Garduño mit dem Namen „Senderos de vida“, die einen Rückblick und eine kritische Analyse von mehr als vier Jahrzehnten Arbeit des mexikanischen Fotografen zeigt. Zur Abwechslung finden wir ein bisschen Kunst gar nicht mal schlecht. Achja, dann wäre da noch das berühmte, riesige Gemälde von Diego Rivera „El hombre controlador del universo“ (1934): Im Zentrum, in der Mitte einer großen Tafel, erscheint ein blonder Arbeiter, der unsicher, aber hoffnungsvoll in eine bessere Zukunft blickt, während er mit seinen Händen die natürlichen und mechanischen Kräfte des Universums kontrolliert. Er muss sich entscheiden zwischen der Bedrohung durch den Kapitalismus, die von den Vereinigten Staaten ausgeht, und dem Versprechen des Sozialismus, das die Sowjetunion darstellt.







Plaza de la Constitución
Danach geht es für uns weiter durch die trubeligen Straßen immer weiter in Richtung Plaza de la Constitución.



Den Platz kennt der oder die ein oder andere vielleicht schon aus dem James Bond Film „Spectre“, da die Eröffnungsszene auf diesem riesigen Platz spielt. Und noch ganz kurz apropos „Spectre“: Erinnert ihr euch an die Eröffnungsszene am Tag der Toten, der mit einer riesigen Parade begangen wird? Eine solche Parade hat es bis dato in Mexiko-Stadt eigentlich gar nicht gegeben. Die Filmschaffenden haben sich das ausgedacht. Aber, um durch den Film angelockte Touris nicht zu verärgern, haben die Verantwortlichen in Mexiko-Stadt entschieden, jedes Jahr nun eine Parade am Tag der Toten stattfinden zu lassen. Wir gehen an der Kathedrale von Mexiko Stadt vorbei. Wir staunen nicht schlecht, wie groß diese Kathedrale ist. Kein Wunder, es ist die größte und älteste Kathedrale des amerikanischen Kontinents und der Sitz des katholischen Erzbischofs von Mexiko. Nur kurz zur Einordnung: Die Innenmaße umfassen eine Länge von 118 m, eine Breite von 54 m und eine Höhe von 55 m. Der Innenraum besteht aus fünf Schiffen mit vierzehn Kapellen, einer Sakristei, einem Kapitelsaal, dem Chor und einer Krypta. Man möchte fast behaupten, dass der Kölner Dom dagegen einpacken kann..



Aber auch der Rest der Plaza de la Constitución ist riesig, auch er gehört zu den größten Stadtplätzen der Welt. Man sagt, dass sich hier das Zentrum der nationalen Identität des ganzen Landes darstellt.

Das könnte auch daran liegen, dass sich am Zócalo einige der wichtigsten Institutionen des Landes befinden: Die Kathedrale, das Rathaus, der Sitz des Gouverneurs und der heute zu besichtigende Templo Mayor. Dazu müssen wir ebenfalls ein paar Informationen mit euch teilen: Der Templo de Mayor war nämlich der wichtigste und größte Tempel der aztekischen Hauptstadt Tenochtitlán, des heutigen Mexiko-Stadt. Der im heiligen Bezirk der Stadt gelegene Tempel besaß eine Höhe von rund 60 Metern. Zahlreiche kleinere Plattformen und Bauten, die mit dem Tempel verbunden waren, bildeten mit ihm zusammen einen geschlossenen Gebäudekomplex. Heute kann man noch die Ruinen anschauen und ein Museum besuchen, aber selbst ohne den Besuch des Museums, kann man von einer Plattform einen Blick auf die Gemäuer werfen und sich eine Vorstellung davon machen, wie groß der Bereich damals gewesen sein muss.



Auf dem Platz sind heute riesige Zelte aufgebaut, ob diese immer dort stehen wissen wir nicht. Unter dem Zeltdach finden riesige Märkte mit so ziemlich allen Produkten statt. Speisen, Getränke, Souvenirs, Kleidung – alles wird lautstark angeboten. Probierlöffel mit Mole, Schokolade und Honig werden der Reihe nach verteilt und es ist richtig viel los. Was wir daran so lieben? Irgendwie schwimmt man mit dem Strom. Sowohl Einheimische als auch Reisende sind hier unterwegs, eine bunte Mischung mit entsprechender Geräuschkulisse. Was wir hier ebenfalls noch interessiert beobachten, traditionell gekleidete Menschen, die anscheinend ein Ritual bei einzelnen Menschen durchführen. Das klingt erstmal komisch, scheint aber irgendwie besonders für die Einheimischen total normal zu sein. Meist werden die Kund:innen mit rauchenden Sträuchern (?) umwirbelt. Manchmal wird eine Art Flüssigkeit um die Menschen herum auf den Boden gespritzt. So richtig durchblicken tun wir dieses Ritual noch nicht, aber wir sind erstaunt, wie viele Menschen es hier anbieten. So langsam wird es in der Mittagshitze sehr heiß. Wir laufen wieder ein Stück in Richtung unserer Unterkunft und landen an einem Ort, der definitiv eines unserer Highlights in Mexiko-Stadt wird:
It’s Pulque ‚o clock
Was man an einem Samstagmittag um 15 Uhr in Mexiko macht? Keine Bundesliga schauen jedenfalls. Wir bekommen einen der wenigen freien Plätze in der Pulqueria „Las Duelistas“. Mit uns am Tisch sitzt ein älterer Herr, der uns nett zunickt, als wir uns setzen. Außer uns sind hier nur Locals und man könnte meinen, dass diese sich genau HIER und zu dieser Zeit jeden Samstag hier zusammen finden. Es gibt hier ausschließlich Pulque zu trinken. Entweder pur oder in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Wenn man sich dann noch für eine Größe (Becher, Humpen, 1L Karaffe oder direkt einen ganzen Eimer) entscheidet, kann es losgehen. Da wir noch nie pure Pulque getrunken haben, starten wir mit diesem Versuch, auch wenn um uns herum alle bunte Karaffen vor sich stehen haben. Kurze Zeit später wissen wir auch warum. Neben der generell gewöhnungsbedürftigen, leicht dicklichen Konsistenz ist der Geschmack in erster Linie leicht säuerlich. Besonders Felix ist wenig angetan und teilt mit uns seine Assoziationen, die sich für den Rest der Zeit in unseren Köpfen festsetzen. Wir müssen definitiv noch eine weitere Sorte testen, also probieren wir uns an Guave – deutlich besser! Etwas süßer im Geschmack und daher umso leichter im Abgang. Den Alkohol schmeckt man übrigens kaum. Was für unser ultimatives Pulqueria-Erlebnis noch erwähnt werden muss: Die musikalische Untermalung. Auf einem Fernseher läuft die Jubiläumsshow von Juan Gabriel. Sensationell. Einzigartig. Mitreißend. Das fühlen auch die anderen anwesenden Gäste, die lautstark mit singen, mit schunkeln und sich dabei auch noch selbst filmen.





Es geht nicht anders, wir müssen Juan Gabriel einen Absatz in diesem Artikel widmen: Juan Gabriel oder auch Juanga ist eigentlich nur sein Künstlername. Alberto Aguilera (haha, da kennen wir noch jemanden) Valadez lebte von 1950 bis 2016 und ist leider mittlerweile verstorben – RIP Juan Gabriel. Er zählt zu den bekanntesten mexikanischen Sängern und Komponisten, wenn er nicht sogar DER bedeutenste Entertainer Mexikos war und auch gerne „Mexikanischer Elvis“ genannt wird. Er verkaufte mehr als 100 Millionen Tonträger und seine Songs sind fester Bestandteil der mexikanischen Volkskultur. Wenn ihr euch das ultimative Video geben wollt und ein bisschen mit uns in den Erinnerungen an Juan Gabriel schwelgen wollt, verlinken wir euch hier das Video. Welches wir, by the way, seitdem auch nicht nur einmal gemeinsam gehört und abgefeiert haben.
Nachdem wir in bester Stimmung unsere zweite Karaffe Pulque getrunken haben, testen wir zum Schluss noch ein Glas der Staudensellerie-Variante. Klingt komisch, schmeckt aber mit dem scharfen und salzigen Chili-Rand am Glas sehr gut. Begeistert und leicht beschwipst verlassen wir im Anschluss die Pulqueria während alle weiteren Gäste noch dort verweilen und den Samstag genießen. Wir laufen auf dem Heimweg noch einmal über die Märkte und testen an einem Straßenstand noch hervorragende Quesadillas. Ausnahmsweise komplett frittiert, sodass aus dem eigentlich geplanten kleinen Snack unser sättigendes Abendessen wird.





Aber noch ist der Tag nicht vorbei, heute Abend steht noch ein weiteres richtiges Highlight auf dem Programm:
Lucha libre
Zu Deutsch: Wrestling. Oder: Ringen. Laut Definition eine Mischung aus Show und Sport. So richtig wissen wir nicht, worauf wir uns einlassen. Wir haben zwar gehört, dass es heiß hergehen soll und dass die Kämpfer lustige Masken tragen, aber keiner von uns war schonmal bei einem Wrestling-Event. Tim und Rachel empfehlen uns, zum Coloseum zu gehen. Gesagt getan. Gegen Abend betreten wir die runde Arena (wie der Name ja schon verrät) und suchen unseren Platz in den oberen Rängen. In der Mitte der Arena befindet sich ein Boxring. Alles füllt sich nach und nach, am Ende ist das Coloseum fast komplett voll und die Stimmung gut angeheizt. Das gemischte Publikum ist gut drauf, überall werden Chips, Popcorn und Bier verkauft. Dann geht es auch schon los. Der Schiri kommt in den Ring und kündigt die Kämpfer nacheinander an. Diese kommen in Umhängen in den Ring gesprungen und bieten schon beim Einlauf eine unvergleichbare und extravagante Show. Einer von ihnen bringt direkt zu Beginn eine Art Feuerwerks-Fontaine mit, was beim Publikum für pure Euphorie sorgt – der Funke scheint überzuspringen 😉
Statt einem Duell treten direkt vier Kämpfer in zwei Teams gegenaneinander an, Tag-Team-Edition, das ist in Mexiko im Gegensatz zu anderen Ländern durchaus üblich. Besonders in den ersten Minuten sitzen wir mit offenen Münden und aufgerissenen Augen auf unseren Plätzen: Was zur Hölle passiert hier gerade? Die Kämpfer, wir müssen erwähnen, dass die Männer mit Sicherheit über 100 kg auf die Waage bringen, zeigen einen wahnsinnigen Showkampf. Sie springen aufeinander, lassen sich mit voller Wucht auf den Boden des Rings knallen, stehen wieder auf und „kämpfen“ weiter. Manche Angriffe sind so lustig gespielt, dass es unfassbar absurd wirkt und gleichzeitig aber superspektakulär aussieht. Im nächsten Moment katapultieren sich die Kämpfer aber mit so einer Wucht zu Boden oder springen aus dem Ring heraus, dass uns fast der Atem stehen bleibt. Das muss doch weh tun! Die Zuschauer schreien, klatschen und pfeifen um die jeweiligen Kämper anzufeuern. Es ist eine wahnsinnige Stimmung in der gesamten Arena. Am Ende von jedem Kampf werden jeweils vom Schiri zwei Sieger gekürt. Dann folgt der nächste Kampf. Die Kämpfer tragen neben den engen und farbenfrohen Masken auch aberwitzige Outfits, enge, leuchtende Unterhosen und passende Stiefelchen. Egal ob orange-leuchtend mit Katzenöhrchen, weiß-glitzernde Outfits oder komplett in schwarz, der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Hauptsache schrill und bunt. Die Abläufe sind übrigens weitestgehend einstudiert und auch der Sieger steht meist schon zu Beginn fest. Manche Einlagen sollen aber auch teilweise improvisiert werden, was beim Zuschauen fast unvorstellbar erscheint. Kommt es bei einer Partei mal zu einer „Verletzung“ gibt es sogar einen Mann mit weißem Kittel, der für die ärztliche Versorgung verantwortlich ist. Und selbst nach der Show ziehen die Kämpfer die Show durch und verlassen zum Teil humpelnd und gestützt die Arena. Wir sind wirklich überrascht, wie krass dieses Erlebnis und diese Show ist. Damit hätte niemand von uns gerechnet. Einfach nur verrückt.



Die Anfänge gehen übrigens zurück bis ins 19 Jahrhundert, wo die Kämpfe zur damaligen Zeit als Belustigung auf Jahrmärkten oder kleineren Festen gezeigt wurden. Und nicht nur Männer steigen in den Ring. Seit den 1930er Jahren steigen auch Frauen in den Ring. Im Sport der Vereinigten Staaten zählt das Wrestling zu den beliebtesten Sportarten, daher gibt es hier auch verschiedenste Ligen. Außerhalb der USA findet man Wrestling hauptsächlich in England, Deutschland (das war uns gar nicht mal so bewusst), Italien, Österreich, Australien, Japan, Bolivien und natürlich Mexiko.
Nach unserem verrückten Lucha Libre Besuch gehen wir (natürlich zu Fuß) zurück nach Hause und auf direktem Weg ins Bettchen.
Coyoacán – Ort der Koyoten
Nach einem köstlichen Chilaquiles-Frühstück starten wir mit der U-Bahn von Mexiko-Stadt Richtung Coyoacán, dem „Ort der Koyoten“. Der südliche Stadtbezirk war bis Mitte des 19. Jahrhunderts vor allem für seine Gärten und Quellen bekannt und zog als Wohnort eine Reise von in- und ausländischen Künstler:innen an. Eine der bekanntesten Attraktionen ist wohl das Frida Kahlo Haus. Das sich dort drin befindende Museum ist allerdings gar nicht so leicht zu besichtigen. Die Tickets sind zum Teil schon Wochen vorher ausverkauft und auch wir haben kein Glück. Darüber hinaus sind auch die Meinungen über die tatsächliche Ausstellung etwas gemischt.



In der Nähe der Plaza Hidalgo findet sonntags ein Künstlermarkt statt. Alte und junge Künstler:innen verkaufen ihre ganz unterschiedlichen Werke. Unter den Bäumen in einem Park schlendern wir über den Markt, es sind richtig schöne Bilder dabei. Felix und Caitlin suchen sich ein paar richtig schöne aus. Eine wirklich tolle Erinnerung an Mexiko. Direkt neben dem Markt haben sich ein paar Leute zum Tanzen zusammen gefunden. Es wird Musik gespielt und besonders ältere Pärchen schwingen am Sonntagmittag das Tanzbein. Und wie! Es sieht so schön aus und passend einfach perfekt in diese so schöne und entspannte Atmosphäre. Im Anschluss besuchen wir noch eine nahegelegene Markthalle. Natürlich gibt’s auch hier jede Menge Souvenirs, Speisen, Getränke.



Weiter geht es zu Fuß Richtung Plaza Hidalgo. Wir werfen einen Blick in die Kirche und dieses Mal auch in den schönen Hinterhof. Unsere Köpfe stecken wir in eine hintere Halle aus der laute Musik tönt. Anscheinend kommt hier die Kirchengemeinde zusammen und lässt den Tag mit Tanz und Gesang ausklingen. Auf dem Platz selbst ist auch viel los. Familien, Eltern, junge und alte Leute genießen den sonnigen Sonntag hier. Zwischendurch spaziert ein Kojoten-Makottchen der Polizei über den Platz, ein älteres Ehepaar lässt sich von einem Schamanen durchräuchern und zu unserem Bedauern wird gerade noch ein Verkaufsstand mit lauter Welpen aufgebaut.




Wir besorgen uns ein paar Getränke und steuern einen weiteren Park an. Hier dürfen wir allerdings nicht mit unseren Getränken rein. Komisch, aber okay. Wir setzen und in ein Café und beobachten die überdimensionalen und nicht sonderlich scheuen Eichhörnchen. Danach treten wir langsam wieder den Heimweg an, sammeln noch ein paar Quesadillas ein und gönnen uns zuhause eine Pause mit dem Jubiläumsvideo von Juan Gabriel.




Date Night zu viert
Gegen Abend steuern wir einen Laden an, den wir am Freitag auf dem Heimweg für durchaus einladend wahrgenommen haben. Der kleine Laden direkt an der Straße serviert gut gekühlte 1,2 Liter Flaschen Bier. Was wollen wir mehr? Vielleicht noch einen Snack? Na klar, hier gibt es sogar vegetarische Tacos mit Pilzen statt mit Fleisch und sie schmecken hervorragend. Genau wie das Bier. Eigentlich soll der Laden am Sonntagabend um 20 Uhr schließen, aber auch um 20:30 Uhr ist er noch so gut besucht, dass kein Ladenschluss in Sicht ist.



Auch dass Konsti zwischendurch von einem als Jesus verkleideten älteren Herren wegen seiner Tattoos bepöbelt wird, das glauben wir zumindest verstanden zu haben, tut der Stimmung keinen Abbruch. Wir genießen die Zeit mit Felix und Caitlin sehr, mit Freunden zu quatschen, zu philosophieren, in Erinnerungen zu schwelgen oder einfach Blödsinn zu reden, vermissen wir sehr. Die gemeinsame Zeit vergeht außerdem wie im Flug, wir haben morgen noch einen gemeinsamen Tag und dann reisen die beiden auch schon wieder zurück in die USA und auch für uns geht es weiter. Heute Abend geht unsere Reise aber erstmal weiter in die nächste Bar „Las Brujas“. Das bedeutet so viel wie „Hexe“. In der Bar arbeiten ausschließlich Frauen und es ist mega cool. Serviert werden köstliche Cocktails, abgewandelte Formen der Klassiker, die bedeutsamen Frauen der Geschichte gewidmet sind. Die Atmosphäre, die tätowierten Frauen, die Getränke, hier ist wirklich alles cool. Wir natürlich auch. Nach dem Genuss einer Runde Cocktails ist der Abend schon weiter voran geschritten und wir beschließen zuhause noch ein letztes Bier zu trinken. Konsti und Felix machen zwei Bier daraus und gönnen sich noch einen Schluck vom mitgebrachten Tequila. Dann geht es aber wirklich ins Bett.
Letzter Tag
Den letzten gemeinsamen Tag lassen wir entspannt angehen. Wir schlafen aus und gehen zu einem späten Frühstück in ein Café am Marktplatz. Zur Abwechslung gibt es heute zu den Chilaquiles eine Portion Müsli mit frischem Obst und Joghurt. Danach spazieren wir Richtung Roma Norte und lassen uns ein bisschen durch wirklich coole Vintage und Bücher-Läden treiben.


Verrückt, wir hätten nicht gedacht, dass es hier so viele davon gibt. Ein Laden geht sogar über vier Stockwerke und hat coolste Vintage Kleidung von Caps, Zweiteilern, Jeans bis hin zu Jogginghosen. Der einzige Haken: Es ist unfassbar teuer. Es macht zwar richtig Spaß, ein bisschen zu stöbern, gekauft wird aber nichts. Dennoch sind wir der Meinung, dass wir uns nach dem kleinen Shopping-Marathon ein kleines gemütliches Bier verdient haben. Ab zu „Drunken Dog“. Die Craftbeer-Bar hat Tim uns empfohlen. Hier gibt es so ziemlich aus jedem Land diverse Biersorten sowie selbstgebrautes Craftbeer. Wir bestellen uns ein paar unterschiedliche Sorten von mexikanischem Craftbeer und sind begeistert vom coolen Merch des Ladens. Alleine der Name spricht uns natürlich an. Nach dem Bier haben wir noch ein paar weitere letzte Dinge, die wir an unserem letzten Tag unbedingt noch gemeinsam abhaken möchten.



Da wäre noch der Taco Straßenstand, den Tim uns empfohlen hat. Er ist direkt um die Ecke und nach dem Bier ist der Appetit groß. Wir sind uns zwar nicht ganz sicher, welchen der Stände Tim gemeint hat, aber eigentlich kann es nur DIESER gewesen sein. Denn hier essen wir die besten Tacos in ganz Mexiko. Wir sind zwar erst etwas skeptisch, ob bei dem ganzen gegrillten Fleisch auch etwas Vegetarisches im Angebot ist, aber der Mann versteht uns sofort „Vegetarianos? Claro!“. Während Felix und Caitlin überzeugt direkt drei Tacos bestellen, sind wir etwas verhalten und bestellen erstmal jeweils einen Taco. Für unsere Version werden verschiedene Gemüsesorten angebraten, Käse und die „Gamechanger-Zutat“ Ananas wird hinzugefügt und fertig ist unser Taco. Wir selbst können uns noch an diversen Soßen sowie Zwiebeln und Koriander bedienen. Der Taco ist riesig und unfassbar gut! Natürlich müssen wir noch einen weiteren bestellen. Das beste am Ende der Geschichte? Es ist nicht nur der beste Taco, den wir bisher gegessen haben, sondern tatsächlich auch der günstigste. Für sechs Tacos mit Fleisch und vier vegetarische Tacos zahlen wir insgesamt um die 6 Euro. Deal! Schade, dass wir morgen schon alle wieder abreisen. Hier hätten wir definitiv noch öfter hingehen können.



Der folgende Wunsch kommt von Konsti. Er ist nämlich völlig empört, dass wir bis dato noch keine Margarita getrunken haben. Das können wir ändern, wir steuern eine kleine Markthalle an, die lustigerweise auch unter unseren bei Maps markierten Orten ist. Zur aktuellen Stunde am Nachmittag ist noch nicht viel los und neben unserer ersten Margarita bekommen wir auch einen gratis Probier-Mezcal. Damit hätten wir Konsti auch glücklich gemacht – Haken dahinter. Um die Reihenfolge Trinken, Essen, Trinken weiter geregelt fortzuführen, geht es nun mit einem erneuten Snack weiter: Es ist Zeit für Churros! Denn bisher haben die beiden (ganz im Gegensatz zu uns) noch keine mexikanischen Churros getestet. Das kann so natürlich nicht sein, daher besuchen wir nun die Churreria „El Moro“. In den stylischen, weiß-blau gekachelten Läden werden die Churros direkt vor den Nasen der Kund:innen zubereitet. Und wer bitte möchte nicht dabei zusehen, wie der endlose Churro-Teig in rosettenform in ein riesiges Bad aus heißem Fett gegeben wird und darin erstaunlich lange baden geht? Im Grunde genommen weiß ja schon jedes Kind, dass die Nährwerte von Churros im dunkelroten Bereich liegen. Wie soll es bei einer Kombi aus kalorienhaltigem Teig, jeder Menge Zucker und einem Fett-Bad auch anders sein. Schmecken tun sie trotzdem ganz hervorragend, vor allem, wenn sie noch heiß sind. Wer mag kann sich übrigens als kleine Kalorien-Krönung noch ein bisschen Schokoladen-Soße zum Tunken bestellen.




Nach diesem Besuch sind wir nun wirklich mehr als gut gesättigt und treten den Heimweg an. Immerhin mal wieder zu Fuß. Man könnte nun das Argument „jeder Gang macht schlank“ aufführen, ist aber im Hinblick auf unseren heutigen Konsum an Kalorien eher lachhaft. Der Rest des Abends wird sehr entspannt, nach vier Tagen und vier Abenden mit Bier und gutem Essen, machen wir es uns gemeinsam auf der Couch bequem und schauen einen Film, passend zum Land „Sicario“.
Auf Wiedersehen!
Am nächsten Morgen trinken wir noch einen gemeinsamen Kaffee, danach machen sich Felix und Caitlin auf den Weg zum Flughafen. So schöööön, dass ihr beide uns besucht habt. Wir haben die gemeinsame Zeit sehr genossen und hätten uns keine schönere Zeit in Mexiko Stadt vorstellen können. Wir hoffen sehr, dass wir vielleicht auf unserem Heimweg noch einen kleinen Abstecher nach Richmond machen können. Das wäre zu schön. Auf ein baldiges Wiedersehen mit diesen beiden Herzis.
PS: Tschö Mexiko Stadt und auf nach Puebla!