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Japan  /  24. April 2024

Kyōto

GuMo Kyōto! Wir stehen recht früh auf und machen uns in der Rush Hour auf den Weg nach Kyōto. Das ganze dauert nur etwas über eine Stunde. Kyoto ist nur einen Katzensprung entfernt von Osaka und ist dabei doch so ganz anders als die hippe Stadt mit dem pulsierenden Leben. Wir bringen als Erstes unsere Rucksäcke in die Unterkunft. Das Hostel war bis vor ein paar Jahren ein Tofu Restaurant und ist nun relativ frisch zu einem Hostel verwandelt worden. In der kleinen Küche bereiten wir uns erstmal einen zweiten Kaffee zu und schmieden dann einen Masterplan für den Tag.

Ein bisschen Hintergrundwissen

Kyoto ist eine der ältesten Gemeinden Japans und wurde 794 von Kaiser Kanmu zum neuen Sitz des japanischen Kaiserhofs gewählt. Die ursprüngliche Stadt mit dem Namen Heian-kyō wurde im Einklang mit dem traditionellen chinesischen Feng Shui nach dem Vorbild alter chinesischer Hauptstädte errichtet. Die japanischen Kaiser regierten in den folgenden elf Jahrhunderten bis 1869 von Kyoto aus. Die Stadt blieb von der großflächigen Zerstörung im Zweiten Weltkrieg verschont und so ist ihr kulturelles Erbe aus der Vorkriegszeit größtenteils erhalten geblieben. Ursprünglich stand Kyoto auch auf der Liste für mögliche Atombombenziele recht weit oben auf der Liste, wurde aber letztendlich gestrichen, da der zuständige Kriegsminister Kyoto durch seine Flitterwochen und weitere Aufenthalte kannte und um deren kulturellen Wert wusste.

Kyoto gilt als Kulturhauptstadt Japans und ist ein wichtiges Touristenziel. Nachdem die Stadt zu Beginn der Heian-Zeit zur Hauptstadt Japans geworden war und eine große Bedeutung für die Menschen hatte, wurde sie einfach als „Kyōto“ (Hauptstadt) bezeichnet. Nachdem der Sitz des Kaisers in die Stadt Edo verlegt und diese in „Tōkyō“ (östliche Hauptstadt) umbenannt wurde, wurde Kyoto kurzzeitig als „Saikyō“ (westliche Hauptstadt) bekannt. Kyoto war von 794 bis 1868 die Hauptstadt Japans und wird manchmal auch die tausendjährige Hauptstadt genannt.

Für das Touri-Programm bedeutet dies jede Menge Tempel, ein bisschen Altstadt, noch mehr Tempel und zum Abschluss noch einen Tempel. Die Liste der Attraktionen, die man in Reiseblogs liest, sind unendlich. Manche empfehlen sogar eine Woche hier zu verbringen, um sich alles in Ruhe anzuschauen. Ein paar Sehenswürdigkeiten sind allerdings auch etwas außerhalb der Stadt und nur mit Bus und Bahn zu erreichen. Wir machen erstmal piano und wollen im Laufe des Tages schauen, worauf wir so Lust haben und wie viele Tempel wir uns tatsächlich anschauen möchten. Bei den meisten und beliebtesten Tempeln muss man nämlich Eintritt zahlen. Das sind zwar umgerechnet nur ein paar Euro, aber bei dem Abklappern der schönsten Tempel läppert sich das schnell. Da vermissen wir doch ein bisschen Südkorea mit den freien Eintritten in die wichtigsten Tempel, um sie jedem und jeder zugänglich zu machen.

Tempel-Tour

Zuerst statten wir dem Nishi Hongan-ji Tempel einen Besuch ab. Das Gelände ist sehr weitläufig und die einzelnen Gebäude sehr groß. Wenn man sich die Schuhe auszieht, kann man sich auch das Innere anschauen. Neben einer Führung und ein paar Betenden ist hier allerdings nicht viel los.

Da ein paar Tempel, wie bereits geschrieben, eher außerhalb liegen, beschließen wir, direkt heute ein Gebiet etwas außerhalb in Arashiyama abzuhaken. Wir steigen in den Bus ein und merken schnell, dass wir nicht die einzigen mit diesem Plan sind. Der Bus ist schon jetzt richtig voll und mit jeder Haltestelle kommen mehr Menschen dazu, aussteigen möchte hingegen niemand. Berühmt ist bei unserem Zielort vor allem der Arashiyama Bamboo Forest, dieser soll aber wahnsinnig überfüllt sein. Das können wir uns gerade in diesem Moment SEHR gut vorstellen, denn während sich der Bus der entsprechenden Haltestelle nähert, wimmelt es draußen nur so von Menschen. Statt hier einen Stopp einzulegen, fahren wir etwas weiter Richtung Adashino Nenbutsuji Tempel. Wir steigen in einem unscheinbaren Dorf aus und müssen bis zum Tempel durch ein weiteres altes Dorf mit traditionellen Häusern, Tempeln und Gärten laufen. Hier sind zwar auch ein paar Menschen, aber wir können entspannt entlang der Straße spazieren und die schöne Umgebung genießen.

Auf dem Adashino Nenbutsuji Tempel sehen wir unendlich viele Steine. Jahrhundertelang wurden die Leichen der namenlosen Toten oft in der Umgebung des Adashino-Hügels im Freien entsorgt. Bald darauf ersetzte die Bestattung mit Grabsteinen die uralte Methode, die Leichen den Elementen auszusetzen. Ein hoch angesehener Priester kam vorbei, führte die „richtigen“ Bestattungsrituale durch und betete für die Toten, damit ihre Seelen in Frieden ruhen. Vor etwa 100 Jahren wurden dann Tausende weitere Steine unter dem Bambuswald gefunden. Wir befinden uns also quasi auf einem Friedhof, einem tatsächlich sehr schönen Friedhof wie wir finden.

Etwas weiter hinten durch befindet sich ebenfalls noch ein kleiner Bamboo Forest, sozusagen der Ersatz für den touristisch überlaufenen, an dem wir vorbeigefahren sind.

Wir laufen zwar noch zum nächsten Tempel, allerdings erscheint uns der Eintritt hier etwas hoch, also geht es für uns erstmal wieder zurück Richtung Innenstadt.

Innenstadtbummel

Da Caro im Bus eingeschlafen ist und wir beide sehr sehr müde sind, gibt es nun erstmal einen schnellen Kaffee im Convenience Store. Danach spazieren wir durch die Stadt und machen einen Abstecher zum Nishiki-Markt. Der berühmte, 400 Jahre alte Markt gehört ebenfalls zu den Highlights von Kyoto. Ehrlicherweise gefällt es uns hier gar nicht. Das bunte Dach über der kleinen Marktstraße ist eigentlich das einzig schöne hier. Ansonsten ist es voller Tourist:innen, überall hängen „Fotos verboten Schilder“ und die Stände verkaufen etwas kitschige Souvenirs oder total überteuerte Snacks. So richtig traditionell scheint es hier nicht zu sein, zumindest ist das unsere subjektive Wahrnehmung. Also nichts wie weiter.

Wir kommen am Samurai-/Ninja-Museum vorbei. Wenn wir schonmal hier sind, könnten wir das ja direkt abhaken, oder? Es kostet 25 Euro Eintritt pro Person, das ist wirklich happig. Wir verzichten darauf, der Besuch ist ohnehin mit 60 Minuten angesetzt inkl. Kostüm anziehen und Ninja-Stern werfen. Wir haben es uns irgendwie ganz lustig vorgestellt, finden den Preis jetzt aber doch etwas sehr teuer. Nächster Halt – das Gion Viertel. Das traditionelle Viertel und seine Geishas haben dazu beigetragen, Kyoto berühmt zu machen. Typisch sind hier besonders die traditionellen Holzhäuser, die alle mit einer Schiebetür und davor hinab hängenden Stoffbahnen zu erkennen sind.

Besonders hier wird die alte Tradition der Geishas, oder wie sie hier genannt werden – Geikos, fortgeführt. Nachdem sie lange Zeit Gesang, Musik, Tanz und Körperhaltung studiert haben, zeigen die Künstler:innen ihr Talent, indem sie Kunden in die Ochaya, die traditionellen Unterhaltungseinrichtungen, begleiten. Zudem ist es sehr schwierig, eine echte Geisha zu sehen. Sie leben sehr zurückgezogen und bieten sich nicht den Blicken Fremder an. Außerdem wurde die Sichtung und das Fotografieren einer richtigen Geisha zu einem richtigen Problem in Kyoto. Die Geishas wurden wie von Paparazzi verfolgt, ihnen wurden zahlreiche Kameras einfach vor die Nase gehalten und darüber hinaus kam es zu Vorfällen, bei denen sie sogar körperlich angegangen wurden. Daher gibt es überall hier nun auch Schilder mit Benimmregeln für Touris.

In einer Doku haben wir zudem noch gesehen, dass immer weniger junge Mädchen die Ausbildung einer Geisha anstreben. Für viele junge Frauen ist der Beruf, obwohl man damit nach der Ausbildung zunächst viel Geld verdient, nicht mehr so reizvoll wie früher. Geisha sein erfordert wahnsinnig viel Disziplin und Geduld, alleine schon wegen der Ausbildung. Was wir allerdings nicht wussten: Geisha ist man auch nur bis zu dem Zeitpunkt, wenn man heiratet.

Zurück nach Gion: Wir laufen weiter durch das Viertel, langsam legt sich das goldene Licht der Abendsonne über die Häuser und über einen weiteren Tempel an dem wir vorbeikommen.

In diesem Licht sieht alles noch viel schöner aus. Und was macht sich optisch besser als ein Tempel in der Abendsonne? Unserer Meinung nach ein Schweine-Tempel in der Abendsonne. Wir haben schon viele verschiedene Tempel gesehen, aber der (wir interpretieren es als) Wildschwein-Tempel ist richtig süß. Statt kleiner Winkekatzen oder kleiner Füchse, gibt es hier eben Schweine. Zu süß.

Jetzt wird es Zeit, zum Hostel zu spazieren. Wir kaufen noch „kurz“ etwas zum Abendessen ein und weitere 25 Minuten später und einer Gesamtschrittzahl von über 25.000 kommen wir beim Hostel an. Wir haben ein 4er Dorm, den wir uns mit zwei Mädels teilen. Es gibt Vorhänge und alles ist recht neu und modern. Hier fühlen wir uns direkt viel wohler als in Osaka. Wir gehen duschen, absolvieren unsere Spanisch-Lektion und gehen dann runter zum „Kochen“. Die Auswahl des Abendessens war aufgrund der Auswahl ein kleiner Krampf. Letztendlich sind wir bei Salat, Toast und Rührei gelandet. Wir sind so müde, dass wir im Anschluss direkt ins Bett gehen.

Ausflug zu Rehsi und co

Nach dem Frühstück machen wir uns auf den Weg zum Bahnhof. Schnell wollen wir noch ein Ticket für den Nachtbus für morgen Abend kaufen. Die erste ernüchternde Nachricht: Der Herr vom Ticketschalter sagt uns, dass für morgen alle Tickets ausgebucht sind. Ohje, das wäre ja wirklich sehr sehr unpraktisch. Während Caro im Kopfkino schon durchspielt, wie wir worst case eine Nacht verlängern und mit dem teuren Bullettrain nach Tokio fahren müssen, beruhigt Konsti sie. Er schaut gleich nochmal online nach einer Alternative. Erstmal müssen wir unsere Bahnstation finden. Alles ist hier besonders unüberschaubar und gleich fährt unser Zug auch schon ab. Nachdem wir 10 Minuten umherirren, werden wir dann doch fündig. Keine weitere 10 Minuten später sitzen wir, zwar nicht im ursprünglich geplanten, aber dennoch im Zug nach Nara. Die Fahrt wird für die Buchung eines Nachtbusses (Konsti ist bei der Suche schnell erfolgreich) und das Weiterschreiben des Blogs genutzt. Dann kommen wir nach Nara. Kennt ihr Nara und wisst ihr wofür es bekannt ist?

Nara

Wegen seiner vielen alten und gut erhaltenen Tempel gehört Nara zu den bedeutendsten touristischen Zielen in Japan. Mehrere Tempel, Schreine und Ruinen in und um Nara sind Teil des UNESCO-Weltkulturerbes, darunter Tōdai-ji, Hokke-dō, Kōfuku-ji, Kasuga-Taisha, Gangō-ji, Yakushi-ji, Tōshōdai-ji und die Überreste des Heijō-Palastes. Ein weiterer bekannter Tempel ist der Ryōsen-ji. Aber ihr dürftet uns kennen, in Kyoto gibt’s ausreichend Tempel für 2 Wochen Aufenthalt. Dafür sind wir nicht hierher gekommen. Sondern vielmehr für dir rund 1200 Hirsche und Rehe, die das Stadtbild prägen wie manche Kühe die Wiesen in Bayern. Wie so viele Tiere hierher gekommen sind und warum sie die Scheu vor Menschen abgelegt haben?

Wir beginnen die Geschichte beim Kasuga-Schrein. Wie für ei­nen heiligen Schrein üblich, ließ auch die Familie Fujiwara den ihren von Gottheiten beschützen. Eine Besonderheit der Gottheiten des Kasuga-Schreins ist, dass sie auf Hirschen reiten. Dass Götter mit verschiedenen Tieren in Verbindung gebracht wurden, war in vielen frühen Kulturen gängig und dass im Fall des Kasuga-Schreins Hirsche gewählt wurden, ist laut tausend Jahre alten Legenden kein Zufall. Für die Familie Fujiwara hatten Hirsche und Rehe einen hohen Wert, diese Tiere standen unter ihrem besonderen Schutz und durften im angrenzenden Wald von nie­man­dem gejagt werden. So kam es, dass Hirsche und Rehe sich im Umkreis des Fujiwara-Anwesens frei bewegen konnten und ihre natürliche Scheu gegenüber Menschen ablegten. Und genau beim Kasuga-Schrein und im angrenzenden Wald sind auch heute noch die meisten Tiere anzutreffen. Nun gut, wenn sie Hunger haben und sich von Menschen mit köstlichen Keksen füttern lassen wollen, nehmen sie auch den Weg weiter stadteinwärts auf sich.

Es dauert nicht lang, bis wir die ersten Rehe und Hirsche sehen. Sie grasen vor einem Tempel und haben tatsächlich keinerlei Scheu vor uns Menschen. Sie sind neugierig, kommen ganz nah und schnuppern an unseren Händen. Da wir aber noch keine Kekse anbieten können, ist das Interesse nur von kurzer Dauer. Das verstehen wir natürlich.

Wir ziehen weiter, denn der eigentlich Park ist noch etwas weiter die Straße runter. Bei der Auswahl an Tempeln, die alle ganz besonders und sehenswert sein sollen, wissen wir gar nicht, wo wir anfangen (und aufhören) sollen. Wir entscheiden uns tatsächlich für den Kasuga Schrein. Neben der Familie Fujiwara, die den Tempel erbaute, ist er bekannt für hunderte Laternen, welche sowohl am Eingang als auch am Tempel direkt hängen. Caro macht sich noch darüber lustig, ob die Laternen wohl am Abend alle angezündet werden, aber tatsächlich: Zweimal im Jahr Anfang Februar und Mitte August werden zum Laternenfest alle Laternen angezündet. Das muss traumhaft schon aussehen, wobei der Schrein auch schon jetzt beeindruckend ist.

In den Wäldern um den Kasuga Taisha gibt es viele kleinere Nebenschreine, von denen zwölf entlang eines Weges am Hauptschrein vorbeiführen und den zwölf Glücksgöttern gewidmet sind. Darunter befinden sich der Wakamiya-Schrein, ein wichtiges Kulturgut, das für sein Tanzfestival bekannt ist, und der Meoto Daikokusha, in dem Gottheiten der Ehe verehrt werden und dem man nachsagt, dass er Glück bei der Eheschließung bringt. Unschwer erkennen wir den „Liebesschrein“. Die Holztafeln auf die man seine Wünsche schreibt haben wir eine Herzform und sind rot eingefärbt. Und noch etwas: Ein paar Frauen stehen um ein Wasserbecken und tauchen mit einer Art Pinzette ein Blatt Wasser immer wieder ins Wasser. Wir schauen genauer hin und erkennen, dass nach dem Eintauchen eine Prophezeiung auf dem Blatt zu erkennen ist. Wir verstehen die Worte nicht, sind uns aber sicher, dass auch die Prophezeiung mit der Liebe zu tun haben könnte. Auf dem Weg zu den verschiedenen Tempeln sind überall Rehe. Auf dem letzten Stück geht man durch einen Wald, rechts und links sind bereits überall Stein-Laternen, die etwas mystisch mit Moos bewachsen sind. Dazwischen tauchen immer wieder Rehe auf. Das ist wirklich etwas ganz besonderes und erinnert eher an einen Fantasy-Film.

Nachdem wir nun schon so oft mit leeren Händen vor den Rehen standen, beschließen wir, dass wir jetzt erstmal Kekse kaufen müssen. Diese sind natürlich extra für die Rehe und Hirsche herstellt und bestehen, zumindest nach Caros Geschmackstest, aus gepresstem Getreide. Wir gehen aber erstmal weiter und halten Ausschau. Am Rand des Nara Parks, etwas erhöht treffen wir dann auf Rehsi.

Wir wollen nicht zu viele ihrer Brüder und Schwestern auf einmal anlocken, aber Rehsi ist alleine unterwegs und scheint Interesse an uns bzw. unseren Keksen zu haben. Wie es hier in Japan üblich ist, wird sich erst zur Begrüßung verbeugt, dann bekommt sie einen Keks. Die Rehe sind komplett konditioniert auf das Vorbeugen und sie wissen genau, dass sie danach Futter bekommen.

Wir sind ganz aus dem Häuschen, überall Rehe und eins ist süßer als das andere. Kein Wunder also, dass wir die nächste Zeit nur mit Rehe beobachten, füttern und verbeugen beschäftigt sind. Rehsi und wir sind gemeinsam auf Wolke 7. Trotz all der Nähe und der wenigen Scheu – es sind noch Wildtiere. Darauf machen auch die zahlreichen Hinweisschilder aufmerksam.

Sie zeigen, dass die Tiere die Menschen auch gerne mal anrempeln oder an ihnen knabbern. Vorab haben wir auch Videos davon gesehen und sind ihnen mit Respekt begegnet, aber die Geweihe der meisten Hirsche sind (wahrscheinlich aus Vorsichtsmaßnahmen) abgetrennt worden. Uns gegenüber sind sie auch eher vorsichtig, trotzdem wird man manchmal von hinten angestupst: „Entschuldigung, ich bin auch noch da und hätte auch gerne in Stück vom Keks.“. Verständlich. Nachdem unserer gemeinsamen Zeit mit Rehsi, verabschieden wir uns schweren Herzens und ziehen weiter. Als nächstes wollen wir uns einen der vielen japanischen Gärten anschauen.

Die Menschen kommen übrigens nicht nur wegen der Rehe nach Nara. Die weitläufigen Anlagen und Parks locken auch diverse Menschen für Fotoshootings an.

Japanischer Garten

Der Yoshikien Garden kostet keinen Eintritt und darf kostenfrei besucht werden. Dennoch ist er komplett eingezäunt, wir können uns sicher alle denken, was der Grund dafür ist. Was kommt euch bei einem japanischen Garten in den Sinn und was macht einen typisch japanischen Garten eigentlich aus? Wir müssen unweigerlich an japanische Privatgärten in Deutschland denken: Ein spießiges Ehepaar mittleren Alters, welches in einem Bauhaus-Haus lebt und direkt nach dem Bau ihres Hauses einen Garten- und Landschaftsbauer mit dem Anlegen eines stilvollen japanischen Garten beauftragt. Die Kosten spielen dabei keine Rolle – sky is the limit. Hauptsache schick, maximal kinderunfreundlich, edel und etwas protzig. Prokuristin und Immobilienmakler, natürlich kinderlos. Ein kleiner Teich mit einem Wasserlauf sollte schon dabei sein und in jedem Fall ein Buddha-Kopf aus Stein. Evgeniya macht nämlich gerne Yoga und Pilates nach Feierabend. Alexander möchte aus seinem gläsernen Homeoffice ins ruhige Grüne schauen, auf keinen Fall in den Garten der Nachbarn. Im Sommer darf es ein bisschen blühen, aber nicht zu farbenfroh und grell, die beiden präferieren gedeckte und leichte Farben, ein zartes rosa, vielleicht? Um die Pflege und das regelmäßige Stutzen der Büsche und dem Rächen der Zen-Elemente kümmert sich ein Gärtner, der mehrmals in der Woche kommt. Lichtquellen sollen ebenfalls verbaut werden, sodass Evgeniya und Alexander auch nach dem späten Feierabend aus dem Kaminzimmer mit den bodentiefen Fenstern einen Blick in ihren Garten werfen können. Zuletzt sollte es noch einen kleinen Weg (mit Brücke!) durch den Garten geben, schließlich ist es wichtig, dass Besuch herumgeführt werden kann.

Ihr seht, wir verfallen schnell in ein kleines Kopfkino, während wir auf einer kleinen Bank im Garten sitzen. Auch wenn es sich in unserer Beschreibung nicht danach anhört, hier gefällt es uns richtig gut. Das Gelände ist weitläufig, es führen kleine Wege hindurch. Natürlich gibt es auch hier einen Teich sowie einen Wasserlauf mit Brücke. Alles wirkt stimmungsvoll aufeinander abgestimmt, aber trotzdem ein bisschen verwachsen/verwunschen. Es gibt einen eigenen Bereich der dem Moos gewidmet ist. Uns fällt seit langer Zeit mal wieder auf, wie schön Moos eigentlich ist. Aber ihr kennt uns, wir verfallen nicht nur in wilde Klischee-Vorstellungen von spießeigen Wannabe-Japan-Liebhabern, sondern fragen uns: Was macht denn nun tatsächlich einen japanischen Garten aus? Die Antwort in komplex und man könnte wahrscheinlich einen eigenen Artikel darüber schreiben, aber ein paar Erkenntnisse möchten wir euch natürlich nicht vorenthalten:

  • Japanische Gärten sind bis ins Detail geplant. Besonders wichtig ist, dass der Garten am Ende mit der Umgebung in Harmonie steht.
  • Ein Wechsel der Perspektiven, asymmetrische und dezentrale Anordnung sowie unebene Wege sind zentrale Elemente.
  • Zen-Gärten sind eine Sonderform, es handelt sich um einen reinen Steingarten, bei dem maximal Moos als Pflanze zu sehen ist.
  • Durch eine harmonische Komposition der Elemente Wasser, Pflanzen und Stein soll ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk entstehen.

Nachdem wir diesen ruhigen und entspannten Ort in aller Ruhe erkundet haben, wir über Evgeniya und Alexander philosophiert haben und unerlaubter Weise ein paar Kekse (unsere eigenen, nicht die Rehkekse) verspeist haben, gehen wir weiter.

Tōdai-ji

Die Haupthalle des buddhistischen Tōdai-ji ist das größte rein aus Holz gebaute Gebäude der Welt. Zumindest sagt Wikipedia das. Im Inneren befindet sich die größte buddhistische Bronzestatue, die mit Sockel knapp 18 m hoch und 452 t schwer ist. Darüber hinaus ist das Eingangstor aus dem Jahr 1199 mit zwei 8,5 m hohen Wächterstatuen. Hier ist ganz schön viel los. Lauter Menschen besichtigen den Tempel und hungrige Rehe sind auf der Suche nach Keks-Geber:innen. Natürlich ist die Anlage Teil des UNESCO Weltkulturerbes. Es sieht beeindruckend aus, wir schauen uns den Tempel allerdings nur von außen an.

Motchi-Pause

Langsam schlendern wir danach wieder stadteinwärts, machen einen Zwischenhalt bei einem weiteren Tempel und enden im Stadtzentrum beim berühmten Motchi-Geschäft. Normalerweise werden hier die Motchis zu Vorführungszwecken für die Besucher:innen noch von Hand zubereitet. Das bedeutet nicht etwa gefühlvolles Formen der einzelnen, gefüllten Motchi-Kugeln, sondern eher das gewaltvolle „Einprügeln“ mit großen Holzhämmern auf den weichen, klebrigen Teig, der sich in einer Holzkuhle befindet. Ganzer Körpereinsatz ist dafür notwendig und anscheinend auch viel Erfahrung, da die Männer sehr abgestimmt immer abwechselnd auf den Teig „einkloppen“. Leider gab es zu dem Zeitpunkt als wir dort waren keine Show durch das Schaufenster zu sehen. Falls ihr euch das Spektakel dennoch anschauen möchtet, verlinken wir euch HIER das Youtube Video.

Es gibt zwar keine Show, aber zwei Motchis möchten wir dennoch testen. Sie plumpsen Motchi für Motchi aus der Maschine und werden im Anschluss von den Mitarbeitenden von Hand in Erdnussmehl gewälzt, in ein Papier gelegt und dann an die Kund:innen ausgehändigt. Sie sind wahnsinnig weich und man muss sie gut in der Hand halten. Der grünliche Teig schmeckt etwas nach Matcha und im Innern ist die typische Bohnenfüllung. Auch wenn wir beide die Erdbeer-Motchis auf Platz 1 setzen, diese hier sind wahnsinnig gut.

Abschied von Rehsi und co

Danach gehen wir noch ein weiteres Mal in den Park und verfüttern unsere letzten Kekse an ein paar süße Brüder und Schwestern von Rehsi. Renate, Rosalie, Rasmus, Rita, Roswita, Reinhard, Rudolf, Richard, Rosa, Rodolfo, Roberto, Ricarda, Rauschi und natürlich Rehsi – es war uns ein Fest und wir werden euch ganz bestimmt nicht vergessen. Auf dass ihr ein langes und glückliches Leben führt, immer reichlich Kekse, keine Nackenverspannungen vom Verbeugen und ganz viele kleine Mini-Rosas und Roberto-Juniors bekommt. Wir haben euch alle lieb.

Wir snacken noch eine Kleinigkeit, trinken einen dringend notwendigen Kaffee und begeben uns dann zurück zum Bahnhof. Irgendwo zwischen Gleis 9 3/4 und 7eleven haben wir ein besonderes Zugticket erstanden.

Japanischer Hogwarts-Express

Natürlich haben wir auf Social Media ein Reel gesehen. Und ein kleines bisschen hat es uns dieser Zug angetan. Der Sightseeing Zug „AONIYOSHI“ gleicht rein äußerlich dem Hogwarts-Express. Von Innen gibt es keine richtigen Abteile, sondern Teppichböden und flauschige grüne Sessel statt harte Bahnsitze. Die großen Fenster sollen einen tollen Ausblick nach draußen bieten. Es gibt sogar Plätze, die zum Fenster ausgerichtet sind, auf einem kleinen Tisch kann man sich ein kleines Picknick bereiten. Einen Speisewagon mit Snacks und Getränken gibt es natürlich auch. Die Sitzplätze haben wir bereits vor ein paar Wochen reserviert und uns gefällt die Fahrt richtig gut.

So gut, dass Caro fast einschläft, weil es so gemütlich ist. Zurück in Kyoto geht’s in Hostel. Heute passiert nicht mehr viel, wir sind ganz schön fertig und müde vom Tag. Statt wie geplant zum Abendessen nochmal in die Stadt zu gehen, entscheiden wir uns für einen Curryladen der japanischen Kette CoCo um die Ecke und gehen danach schlafen.

Checkout

Am nächsten Morgen schlafen wir bewusst etwas länger und lassen uns Zeit mit dem Checkout. Das war nämlich fürs erste die letzte Nacht in einem Bettchen. Bis 10 Uhr müssen wir auschecken und heute Abend nehmen wir den Nachtbus zurück nach Tokio, bevor morgen Abend unser Flieger nach LA startet. Wir sind wirklich gespannt, wie die nächsten Tage mit viel Warte- und Reisezeit sowie einer ordentlichen Portion Zeitumstellung rumgehen.

Ein letztes Mal Tempel-Sightseeing

Nach dem Frühstück und Checkout machen wir uns mit dem Bus auf den Weg Richtung Norden. Ein paar Tempel und Highlights wollen wir heute nochmal mitnehmen. Der Ginkaku-ji Tempel ist ein Zen-Tempel aus 1482. Der Kannon-den (Halle der Kannon) ist das Symbol dieses Tempels und wird meist Ginkaku (Silberner Pavillon) genannt. Der dazugehörige Garten ist aber fast spektakulärer, genau das richtige für Evgeniya und Alexander. Er ist vor allem für Ginshadan (See des Silbersandes) und Kōgetsudai (Mondschauplattform) bekannt, die im Kontrast zum dunkleren Kannon-den stehen.

Von hier spazieren wir entlang des Philosophen-Weges. Am Anfang gibt es zwar noch ein paar weitere Tourist:innen, aber je länger wir gehen, desto ruhiger wird es. Der Weg führt entlang eines kleinen Bachlaufs. Immer wieder kommen zwischendurch ein paar Cafés und Geschäfte, im Allgemeinen ist es aber sehr ruhig. Wir philosophieren etwas, das muss man ja so machen und kommen beim Nanzen-ji Tempel heraus. Sehenswert ist hier vor allen Dingen ein Aquädukt aus roten Ziegelsteinen. Erstaunlicherweise wird diese Wasserstraße noch immer genutzt, um Wasser vom Biwa-See nach Kyoto zu befördern.

Als nächstes wollen wir einen Ramenladen zum Mittagessen ansteuern. Ein letztes Mal Ramen essen ist wahrscheinlich das Highlight unseres heutigen Tages. Der Weg dorthin nimmt allerdings fast 40 Minuten in Anspruch, egal, wir wollen trotzdem laufen. Mehr oder weniger zufällig laufen wir noch über eine weitere, sehr imposante Tempelanlage – Chion-in. Sie ist aus dem 17. Jh. und Haupttempel des Jōdo-shū-Buddhismus. Das Gelände wird heute auch für größere Veranstaltungen genutzt, außerdem kann man in dem weitläufigen Garten sehr schön spazieren gehen. Wäre da nicht unser Hunger und die immer wiederkehrenden Regenschauer. Langsam bekommen wir sogar nasse Schuhe.

Ein letztes Mal Ramen

Wir kommen am Ramen-Laden an und… na klar, es gibt eine Schlange. Daran haben wir uns ja eigentlich schon gewöhnt, aber es regnet immer noch in Strömen und nur eine minimale Fläche vor dem Laden ist überdacht. Das heißt dann wohl erstmal im Regen anstellen. Aber was tut man nicht alles für eine gute vegane Ramen? Irgendwann schaffen wir es bis zum Eingang. Bestellt wird hier an einem Automaten vor der Tür. Man kann wie an einem Bahnticket-Automaten die gewünschte Auswahl treffen und mit Karte zahlen.

Heraus kommen dann zwei kleine Zettelchen mit der Bestellung. Diese werden dann dem Personal in die Hand gedrückt. Dann können wir rein. Hier gibt es wieder nur wenige Plätze und wir bekommen zwei Sitzplätze an der Bar zugeteilt. Die Ramen sind köstlich und schmecken (wie immer) ganz anders als alle anderen. Direkt nach dem Essen machen wir aber natürlich Platz für die nächsten Gäste, denn die Schlange ist nach wie vor sehr lang und es regnet immer noch.

Foto-Hotspot oder auch nicht?

Eines der typischen Highlight-Fotos ist die Yasaka-Pagode in Kyoto. Auf Google Maps gibt es sogar einen markierten Standort, von wo die schönsten Fotos gemacht werden können. Die Szenerie: Eine leicht gebogene, schmale, menschenleere Straße mit alten Holzhäusern, im Idealfall mit einer blühenden Kirschblüte auf der linken Seite und der hohen schönen Pagode im Hintergrund. Natürlich sieht es gerade hier vollkommen anders aus. Überall sind Menschen, es regnet, die Kirschblüte lässt sich noch nicht blicken und die Stimmung ist eher grau und wenig spektakulär. Definitiv nicht unser Highlight hier, aber irgendwie spiegelt es auch ganz gut die Situation hier in Kyoto wieder.

Kyoto gefällt uns an sich sehr gut und es gibt wirklich wahnsinnig viele schöne, alte Tempel zu besichtigen, die alten Straßen mit ihren Holzhäusern haben ihre ganz eigene Stimmung und vor allem im Abendlicht sieht alles wunderschön aus. Die andere Seite sind allerdings viele viele viele Menschen (und damit sind natürlich die vielen Tourist:innen gemeint) und sich läppernde Eintrittsgelder sowie überteuerte Preise bei Straßenständen. Und na klar, das ewige Dilemma: Wir selbst sind natürlich auch Touris und reihen uns in die Masse ein. Aber insgesamt ist der Vibe hier einfach anders als in Tokio und Osaka. So zumindest unsere subjektive Wahrnehmung. Zudem müssen wir dazu sagen, dass wir auch nur zwei Tage in Kyoto hatten, mit mehr Zeit ließen sich sicher noch mehr schöne und weniger überlaufene Orte entdecken.

Auf dem Rückweg zum Hostel gehen wir noch für heute Abend und für die anstehende Reise Essen einkaufen.

Danach ist uns nach einer Pause im Hostel und einem Kaffee. Wir machen es uns im Aufenthaltsbereich gemütlich und erledigen noch ein paar Dinge am Laptop. Wir machen drei Kreuze, wenn wir in Mexiko ankommen. Dafür freuen wir uns umso mehr auf einen neuen Kontinent und nach knapp einem Jahr in Asien auf ganz neue Kulturen, eine neue Sprache und allem was noch so dazu gehört. Wir sind richtig aufgeregt und gespannt. Noch wissen wir nicht, dass unsere Reise etwas anders verlaufen wird als geplant..

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