Als wir in Kaohsiung aussteigen, steuern wir unser Hostel an. Die kommenden beiden Nächte haben wir uns aus Budgetgründen für ein Doppelbett im Dorm entschieden. Im Preis inbegriffen ist hier aber sogar das Frühstück. Kein Hotelbuffet, aber besser als nix! Wir laden unser Gepäck ab und machen uns dann auf den Weg in die Stadt, die wir ein bisschen zu Fuß erkunden wollen.

Formosa Boulevard und der Kaohsiung-Vorfall
Unser Hostel liegt nur einen Katzensprung vom Formosa Boulevard entfernt. Ein großer Platz mit einer besonders schönen U-Bahn Station. Die schauen wir uns doch direkt mal an. Wir staunen tatsächlich nicht schlecht. Die Decke leuchtet künstlerisch in verschiedenen Farben. Dabei erklingt die Musik einer Pianospielerin, die am Vormittag kräftig in die Tasten eines Flügels haut. Wahrscheinlich wäre die Station ohne die Musik nur halb so spektakulär.



So oder so, dieser Ort soll an einen wichtigen aber tragischen Moment erinnern. Der „Kaohsiung-Vorfall“ ereignete sich während der diktatorischen Herrschaft der Kuomintang auf Taiwan am 10. Dezember 1979. Sie schloss sich an eine prodemokratische Protestkundgebung in der Stadt Kaohsiung an. Der Vorfall führte zu einer Verhaftungswelle, von der fast alle namhaften Vertreter der Oppositionsbewegung betroffen waren. Der Vorfall bestärkte in der Bevölkerung langfristig die Unzufriedenheit mit den herrschenden politischen Verhältnissen und erhöhte auch außenpolitisch den Druck auf die Regierung. Der Vorfall wird heute als ein Wendepunkt auf dem Weg zur Demokratie in Taiwan bewertet. Nach der Gründung der Zeitschrift „Formosa“, im der die Opposition ihr Anliegen formulierte und verbreitete, zeigte sich ein großes Interesse der breiten Bevölkerung an der Zeitung mit ihren Inhalten. So beschloss die Dangwei Bewegung, eine öffentliche Kundgebung in Kaohsiung abzuhalten, die allerdings verboten wurde. Am Ende fand sie dennoch statt und der Kern der Organisator:innen wurde verhaftet und zu einer Haft im Gefängnis verurteilt. In den Jahren nach dem Kaohsiung-Vorfall setzte ein langsamer Reformprozess ein. Viele der nach dem Kaohsiung-Vorfall inhaftierten Personen und ihrer Sympathisanten traten der 1986 gegründeten Demokratische Fortschrittspartei (DPP) bei und machten politische Karriere. Nach diesem kleinen erneuten Ausflug in die Geschichte, habt ihr es damit für heute geschafft. Ab geht’s zur weiteren Erkundung von Kaohsiung, jetzt wird es moderner.







Über den Liebesfluss zum Pier 2
Entlang des sogenannten Liebesflusses geht es Richtung Pier 2. Neben dem Fluss gibt es breite Spazierwege, viele grüne Parkanlagen und breite Fahrradwege. Genau daher hat der Fluss angeblich auch seinen Namen, da sich früher dort oft Pärchen zum Spazieren gehen trafen. Irgendwann wurde der Fluss dann offiziell umbenannt und ist heute zu einem kleinen Touri-Spot geworden, man kann mit sogenannten Liebesbooten fahren und es gibt immer wieder Kulturveranstaltungen mit Livemusik. Direkt am Wasser liegt auch das Kaohsiung Music Center, welches durch seine waben-förmige Architektur direkt ins Auge fällt und das Stadtbild prägt. Direkt davor befindet sich aktuelle eine Kunstausstellung mit Containern. Wir sind begeistert, wie modern und cool es hier ist.






Dann kommen wir beim Pier 2 an. Wir fühlen uns leicht an Talinn erinnert. Das ehemalige Hafengelände mit seinen Backsteinhallen hat sich in ein kleines Hipster-Künstler-Viertel entwickelt. An jeder Ecke entdecken wir Kunst, kleine Geschäfte und Cafés. Regelmäßig finden hier kulturelle Veranstaltungen, Ausstellungen und Konzerte statt. Uns gefällt es, hier durch zu schlendern. Es ist nicht viel los, die Sonne scheint und gefühlt könnten wir an jeder Straßenecke tausend Fotos machen. Wir setzen uns ans Wasser, snacken unseren ersten Ananaskuchen (typisch für Taiwan) und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. Dann begeben wir uns langsam Richtung Hostel. Mittlerweile dürften wir einchecken können und Konstis Knie kann eine Pause gut gebrauchen.












Kleiner Toiletten-Einblick
Noch eine Sache, die uns in Taiwan mehr als positiv überrascht – die öffentliche Toiletten-Situation. Es gibt sie in großer Anzahl, aber jetzt kommts: Sie sind sauber. Und es gibt eigentlich IMMER Toilettenpapier. Ein Traum, davon kann sich Deutschland direkt 10 Scheiben abschneiden. Oft sind es Stehtoiletten, woran wir uns mittlerweile gut gewöhnt haben. Caro ist sogar der Ansicht, dass diese Toiletten wesentlich praktischer für das kleine Geschäft sind und es auch dadurch sauberer ist. Wenn da aktuell nicht ein kleiner Haken wäre. Denn bei uns beiden schmerzen die Knie vom Fahrrad fahren und „hocken“ ist aktuell weniger spaßig. Beim Aufstehen könnte man schon fast von „problematisch“ sprechen. Das zwiebelt ganz schön. Aber auch hier haben die Taiwanes:innen vorgesorgt. Es gibt so ziemlich auf jeder Toilette einen Notfallknopf. Wir haben vorsichtshalber ein Beweisfoto gemacht. Das haben wir tatsächlich noch nirgends gesehen. Was wir ebenfalls noch nicht gesehen habem – eine Leuchtanzeige der Toilettenkabinen am Eingang der Toilette. Die kleinen grünen Lämpchen zeigen die freien Kabinen an, auf den roten wird gerade eine Sitzung abgehalten. Konsti zeigt Caro nachher das Foto „Haha, guck mal, da warst du auf Toilette.“ Fazit: Taiwan ist bisher die Nummer 1 der Toiletten-Länder und die Wichtigkeit dieses Arguments ist nicht zu unterschätzen, vertraut uns. Aaaber noch steht Japan auf unserer Liste und wir haben die leichte Vermutung, dass noch Luft nach oben ist.


Hostel-Life
Wir beziehen unsere kleine Kabine, freuen uns auf die Dusche und ruhen uns etwas aus. Am Abend entscheiden wir uns nach einigem hin und her im Supermarkt (geht niemals hangry einkaufen) dazu, selbst zu kochen. Es gibt Salat und nachdem wir noch ein paar Bäckereien abgeklappert haben, finden wir tatsächlich auch noch ein Baguette. Also ein richtiges. Im Hostel gibt es eine rudimentäre Küche und einen kleinen Sitzbereich. Bei der Erstinspektion haben wir keine Herdplatten gesehen, aber jetzt, wo wir mit dem Salat im Gepäck zurück kommen, sehen wir, wie zwei andere Mädels eine elektrische Herdplatte aus den Untiefen des Schranks hervorgezaubert haben. Dann gibts morgen vielleicht doch nochmal ne einfache Pasta? Wir werden sehen. Während dem Essen lernen wir eine Deutsche/Ukrainerin kennen und kommen mit ihr ins Gespräch. Wir verquatschen uns ein bisschen und irgendwann kommt noch ein junger Mann aus Isreal dazu. Irgendwann wird es etwas lauter und als Caro um die Ecke schaut, sieht sie Kinder. Viele Kinder. Was machen die denn hier? Keine 5 Minuten später zieht die erste Gruppe mit kleinen Kindern an uns vorbei. Schnurstracks zum Aufzug. Sie sind mini, wir schätzen, dass manche vielleicht gerade mal zwischen 5 und 8 Jahren sind. Und ja, Kinderalter schätzen gleicht bei uns einer Lotterie. Aber lasst es euch gesagt sein, sie waren mini. Die viel wichtigeren Fragen sind aber doch, was die Kinder hier machen, wo sie schlafen und wie viele noch hinterher kommen. Es folgen nämlich immer mehr Kinder, es scheint nicht zu enden. Verwundert schauen wir uns alle an. Aber die erste Anspannung fällt ab, als wir feststellen, dass sie eine Etage unter unseren Dorms untergebracht sind. Natürlich hören wir sie, aber es hält sich im Rahmen. Tatsächlich waren sie sogar alle ganz niedlich und während wir sie höflich mit „Ni Hao“ begrüßen, erwidern die kleinen Stöpsel winkend „heeeello“. Von den anderen Gästen holen wir uns schließlich noch den Tipp ab, morgens früh zum Frühstück zu erscheinen und dann verabschieden wir uns ins Bett.
Auf den Spuren von Tigern und Drachen
Nach einem Frühstück (bestehend aus Toast, Käse und ein bisschen Salatgarnitur) machen wir uns auf den Weg zum Lotussee (das soll kein Plural von Lotus sein). Der liegt etwas am Rand der Stadt. Zum ersten Mal trennen sich hier kurzzeitig unsere Wege. Konsti nimmt die Bahn, Caro und Gigi begeben sich gemeinsam auf den Weg. Vor Ort wollen wir uns wieder beim 7eleven treffen. Ein kleines bisschen aufgeregt ist Caro schon, denn manchmal spinnt das GPS Signal und wir haben ja nur eine Simkarte. Aber es klappt alles problemlos. Zuerst wollen wir uns auf den Spuren von Tiger und Drache begeben. Es soll am See einen Tempel geben, dessen Ein- bzw. Ausgang jeweils ein Drachen- bzw. Tigerkopf ist. Wenn man dann noch die richtige Reihenfolge beim Betreten und Verlassen des Tempels einhält, soll das ganze Glück bringen. Das werden wir auf diesem Wege heute wohl nicht bekommen. Die Pagode ist eine komplette Baustelle. Hinter der verhüllten Baustelle können wir die Köpfe nur erahnen. Schade.
Aber wie das dann hier überall zu sein scheint, die nächste Pagode ist nicht weit. Wir schlendern entlang des Sees und schauen uns ein paar Tempelanlagen an. Schon verrückt, wie aufwendig manche Anlagen gebaut und gestaltet sind. Riesige Figuren thronen über der Wasseroberfläche, sie sind bunt gestaltet und die Größe ist riesig. Ein wirklich schönes Bild. Und woher kommt eigentlich diese Musik? Wir folgen unseren Ohren und stoßen auf ein unterhaltsames Programm: Eine Zusammenkunft von Menschen gehobenen Alters, die gegen Mittag zusammen am Ufer Karaoke trällern. Musikalisch weniger herausragend, dafür umso schöner anzuschauen. Weniger gut gefallen uns aber das Schildkrötengehege und die Koi-Teiche, in denen viel zu viele Tiere auf einmal leben. Aber auch das haben wir leider schon ein paar Mal erlebt. Langsam spazieren wir wieder zurück. Erneut trennen sich unsere Wege, aber der Appetit treibt uns eine halbe Stunde wieder zusammen.









BB – Bestes Buffet
In einer sehr unscheinbaren Straße, weit weg von irgendwelchen Touri-Hotspots landen wir durch einen Google-Zufall bei einem vegetarischen Buffet-Restaurant. Von der Straße sieht es aus wie ein Gemüseladen, aber im Laden selbst entdecken wir ein Buffet. Eine Hand voll Gäste sitzt am Rand des Raumes auf kleinen Hockern. Wir entdecken Teller und befüllen diese mit lauter Leckereien. Wir haben wirklich keine Ahnung, was hinter den einzelnen Speisen steckt. Das Gemüse lässt sich noch gut identifizieren, aber es gibt auch eine Vielzahl an (frittierten) Tofu (?) Speisen, bei denen wir absolut keinen blassen Schimmer haben, was es genau ist. Generell würden wir uns schon als Fortgeschrittene im Bereich Verkostung und Identifikation von Zutaten bezeichnen, aber hier stoßen wir definitiv an unsere Grenzen. Egal, Hauptsache es schmeckt denken wir uns. Wir zeigen der Dame mit einer dicken roten Wollmütze unsere Teller, aber sie deutet uns, dass wir uns einfach setzen können. Sie spricht offensichtlich kein Englisch, stattdessen bekommen wir noch zwei Suppen vor unsere Nasen gestellt. Dann kommt sie nochmal und legt uns auf die gut befüllten Teller jeweils ein großes Stück frittiertes Gemüse. Ein Berg voll Essen und dazu eine Suppe. Aber Hauptsache es schmeckt und das tut es. Köstlich. Wir sind pappsatt und bevor wir zahlen, tippen wir in die Übersetzungsapp noch ein paar Worte „Vielen Dank, dass Essen hat köstlich geschmeckt.“



Die ältere Dame freut sich riesig und tatsächlich zahlen unter 4,50 Euro für beide Teller inkl. Suppe. Gut gestärkt begeben wir uns zum nächsten Tagesordnungspunkt
Eine Schifffahrt die ist lustig, eine Schifffahrt die ist schön..
Naja, so eine richtige Schiffahrt ist es nicht wirklich. Wir setzen auf einer 5-minütigen Fahrt zur vorgelagerten Halbinsel Cijin über. Ab ans Meer. Nach einem kurzen Spaziergang sind wir auch schon da. Schuhe und Socken aus und ab mit den Füßen ins Wasser. Erst ist es etwas bewölkt, aber mit der Zeit lässt sich sogar die Sonne blicken. Entschleunigend ist es hier irgendwie. Kaum ist man am Meer, hält die Füße ins Wasser, paniert sie anschließend im schwarzen Sand und hört die Wellen rauschen, schon sind wir gedanklich weit weg vom städtischen Treiben. Zu gerne würde Konsti direkt eine Runde schwimmen gehen, aber dafür ist es dann doch ein bisschen zu frisch.






Wir beschließen etwas an der Küste entlang zu laufen und je weiter wir gehen, desto weniger Menschen sind auch hier. Wir sehen ein paar Angler an der Küste und spazieren entlang der Spitze der Halbinsel. Auf der anderen Seite sehen wir viele Angler an der Wasserkante und große in den Hafen einlaufende Containerschiffe. Hier scheinen die Uhren ein kleines bisschen langsamer zu ticken. Zurück am Anleger fahren wir wieder mit einem kleinen Schiff zurück und genießen das schöne Abendlicht. Ein letztes Mal für heute schwingt Caro sich wieder aufs Rad und tritt den Heimweg entlang des Pier 2 und dem Liebesfluss an, der gleiche Weg, den wir gestern gelaufen sind. Richtig schön! Konsti nimmt die Bahn und ist sogar schneller wieder am Hostel und wartet schon.








Hostel Bekanntschaften
Wir besorgen uns Nudeln, Pesto und Tomaten. Heute wird „gekocht“. Wir müssen uns allerdings etwas gedulden, ein junger Mann aus der Türkei zaubert sich gerade ein gut riechendes Abendessen. Heute werden wir kritisch beäugt, erst fragt der „nette“ Israeli warum wir denn Pasta kochen, wenn wir nächste Woche schon wieder zuhause in Europa wären und später fragt er Konsti leicht empört, ob das schon sein zweiter Teller Nudel sei. Er selbst würde ja max. einen Teller essen. Na da schmecken die Nudeln ja nochmal umso besser. Um dem ganzen noch einen drauf zu setzen, betont er, dass wir ja in Indien hätten noch viel günstiger unterwegs sein können. Puh, ehrlich gesagt, sind nicht immer alle Bekanntschaften interessant und freundlich. Das war übrigens nur ein Auszug aus seinem Repertoire, am nächsten Morgen lernen wir noch ein paar taiwanesische Studierende kennen, auch hier wirft er mit ein paar weniger freundlichen, oder besser gesagt provozierenden Fragen um sich. Freundlich wie die Taiwanes:innen sind, antworten sie lächelnd und leicht verunsichert. Wir sind also weniger traurig, als wir uns von diesem etwas komischen Zeitgenossen verabschieden und uns am nächsten Morgen auf die Weiterfahrt begeben. Da wir um weiter in den Süden zu fahren auf den Bus umsteigen müssten, was sich mit den Rädern schwierig gestaltet, entschließen wir uns, den Nationalpark im Süden auszulassen und direkt weiter richtig Osten zu fahren. Die Strände und das Meer sollen dort besonders schön sein, aber richtiges Badewetter ist hier Ende Januar nicht wirklich. Also auf in den Osten, hier soll die Natur und die Küstenregion besonders schön sein und das werden wir schon kurze Zeit später zu sehen bekommen.